Samstagsfrühstück: Vom Bücher machen …

Beim offenen Samstagsfrühstück waren heute zwei Frauen zu Gast, die in unterschiedlicher Weise beruflich mit Büchern verbunden sind und auf dem buddhistischen Weg unterwegs sind und uns daran teilhaben ließen.

Cover

Ursula Richard hat seit 1986 die meisten Bücher von Thich Nhat Hanh übersetzt und den Steinrich Verlag mitgegründet. 2011 hat sie ein Buch über „Stille in der Stadt“ veröffentlicht (Untertitel: Ein City-Guide für kurze Auszeiten und überraschende Begegnungen). Dafür hat sie Christian Herwartz in unserer Wohngemeinschaft besucht, ist mit ihm ins Gespräch gekommen und hat an Straßenexerzitien teilgenommen. 

 

Buchcover

Daraus entstand dann die Idee zu einem weiteren Buch mit Christian nämlich „Brücke sein – vom Arbeiterpriester zum Bruder“. In diesem Buch denkt Christian über die unterschiedlichen Bereiche seines Engagements nach: über Macht, den Mißbrauchskandal und die Erneuerung der katholischen Kirche – sein Ankommen unter Arbeitern – das Leben in Gemeinschaft und die daraus entstehenden Aktivitäten (Besuche bei Gefangenen der RAF, Blockade gegen die Stationierung von Atom-U-Booten in Schottland, Straßenexerzitien, interreligiöses Friedensgebet,am Gendarmenmarkt, Mahnwachen vor dem Abschie-begefängnis in Grünau und später am BER-Flug-hafen, die Gruppe „Ordensleute gegen Ausgren-zung“,  Begleitung von transsexuellen Menschen…).
Ursula hat uns auch auf einen Kurzbeitrag auf Youtu.be hingewiesen (drei Minuten)  zum Erscheinen des Buches 2013, der das Umfeld unserer WG zeigt. Trotz vieler Veränderungen ist Vieles noch gut erkennbar und auch interessant für alle, die den Lebensort unserer WG jenseits von den in den Medien bemühten Klischees rund um das Kottbuser Tor sehen wollen:

Hier auf dem Eingangsbild sieht man Christian Herwartz, wie er vor einer Kunstinstallation von Bruder Christian Schmidt (SJ) sitzt – dem „Kerzenorchester“.

Auch Ariane Lampe, die Übersetzerin von Jarvis Jay Masters, der seit mehr als 30 Jahren im Todestrakt von St. Quentin sitzt, war heute bei uns. Sie erzählte vom telefonischen Kontakt mit ihm und was die Übersetzung seines Buches „die Geburt der Freiheit – wie die Meditation im Todestrakt mein Herz geöffnet hat“ .bei ihr ausgelöst hat. 

Es war eine intensive und bewegende Begegnung für alle Beteiligten.

xxx

xxx

Frühstücksgespräche im Februar 2023

Im Februar 2023 haben wir unter anderem bei unserem gemeinsamen Frühstück über diese Themen gesprochen:

– Wie berlingrau unsere Stimmung beeinflusst
– welche Grautöne gibt es
– wer beim Gedenkgottesdienst gefehlt hat
– erster Sonntag im Monat ist Museumssonntag
– Schwierigkeiten beim Regeln von Nachlässen
– Was hinterlassen wir der nächsten Generation – politisch gesehen – auch an Schwierigem
– von der Freude Lehrer zu sein
– wie funktioniert ein Pensionsfonds einer katholischen Privatschule für verbeamtete LehrerINNEN
– verschiedene Wortbedeutungen von „Klausur“
– was tut eine Jesuitenkommunität auf Klausurtagen
– Eindrücke vom Gedenkgottesdienst letzten Donnerstag
– wie es war neun Monate in einem griechisch-orthodoxen Kloster zu leben
– warum muß der Staat jedes Jahr den Kirchen für Enteignungen vor Jahrhunderten riesige Beträge bezahlen und wie kann das beendet werden
– die naturwissenschaftliche Orientierung des Psychologiestudiums in Deutschland
– was ist das Heilende in der Therapie
– Schulpflicht, Bildungspflicht und Homeschooling
– vom Privileg in Deutschland ohne Studiengebühren studieren zu können
– gefährliche Schulwege (Doku auf arte)
– welche Voraussetzungen braucht man für Stipendien
– Freilerner
Film über Bert Trautmann: Vom Nazi-Feind zum Fan-Liebling in Großbritannien
– wie man seinen Tag strukturieren kann auch bei psychischen Durchhängern
– das Ofenmuseum in Velten
– die Keramik-Werkstätten von Hedwig Bollhagen in Marwitz und wie ihre Unternehmensgeschichte gefälscht und Grete Loebenstein verschwiegen wird (auch hier).
– verschiedene Formen von Bewerbungen
– Urban gardening Projekte in Kreuzberg
– Verschickungskinder in der BRD
– Reiseerlebnisse aus Chile
– wie sieht die Arbeit eines Baumpflegers aus
– Demos anläßlich des 1. Jahrestages vom Beginn des Ukrainekrieges
– als Trödler in der DDR
– was war in der DDR möglich und was nicht
– 1. Todestag von Christian Herwartz
– als Christian 2016 wegging … (vgl. Archiv dieses Blogs April 2016 rechts Spalte unten)
– DP-Lager (displaced persons) in der britischen und amerikanischen Zone: Unterschiede
– wer waren die nicht-jüdischen DPs (Zwangsarbeiter, Kollaborateure aus Osteuropa …)
– warum gab es bei der Wende nur 500 Juden in der DDR
– wie waren DP-Lager in der amerikanischen Zone organisiert (Bildung, Kultur, Gesundheitswesen)
– viele DP-Lager waren vorher Konzentrationslager gewesen (Bergen-Belsen, Landsberg …)
– Fluchtwege
– neue Formen von Kirche (mit dem Kaffee-Fahrrad auf dem Marktplatz …)
 

mehr Frühstücksgespräche in den letzten Monaten sind hier

xxx

xxx

12 von 12 im Februar 2023: Osterbrunnenprojekt nimmt Fahrt auf

Immer am 12. eines Monats lädt Frau Caro zur Aktion 12 von 12 ein. Jede/r beschreibt mit 12 Fotos die Erlebnisse und Erfahrungen dieses Tages.

Weil hier in der Wohngemeinschaft der Wohnzimmertisch eine zentrale Rolle spielt und am meisten von allen mitbekommt, was sich in unseren gemeinsamen Räumen (Wohnzimmer und Küche nebenan tut) ist er heute wieder mal dran und darf erzählen:

 

Seit heute Nacht stehen neben mir die Neuzugänge an ausgeblasenen Eiern, die seit 3. Februar entstanden sind: Bis auf drei alle in Serviettentechnik. Die BewohnerINNEN sollen sie sehen, wenn sie zum Frühstück kommen:

 

Gegen halb acht Uhr wird der Kachelofen angeheizt. Der wurde schon für 12 von 12 im Januar fotografiert und zwar hier (3. Foto).

Blick in den Kachelofen beim Anheizen

Der Frühstückstisch wird gedeckt. Am Sonntag gibt es immer um 9.00 Uhr Frühstück und meistens etwas Besonderes – heute Rühreier – ich sage nur: ausgeblasene Eier – und Obstsalat. Eine dreiviertel Stunde später brechen die ersten zum Gottesdienst auf

Bildausschnitt: Wohnzimmertisch wird zum Frühstück gedeckt

Zwei haben sich zum Sprachtandem deutsch-russisch verabredet. Irgendwas kommt dazwischen. Stattdessen gibt es ein Sprachtandem deutsch-italienisch, das nicht fotografiert wurde.

kein Foto verfügbar

Gleichzeitig entsteht in der Küche Strudelteig für einen Millirahmstrudel, den es zum Nachmittagskaffeetrinken geben soll.

Strudelteig klassisch und ohne Ei

Später komme eine Freundin vorbei und bringt von einem befreundeten Ehepaar zwanzig Bio-Eier für das Osterbrunnen-Projekt. Dank an Susanne und Reinhard.

Eiergeschenk für das Osterbrunnenprojekt

Der Strudel  im Vorstadium als er zum Backen für eine gute Stunde in den Ofen geschoben wird

Strudel soeben in den Herd geschoben

Wir lesen das dritte Kapitel von Regina Scheers Roman „Machandel“, einem fiktiven Dorf in Mecklenburg-Vorpommern, in dem die Geschichte der DDR erzählt wird mit Rückgriffen auf Kriegsende und Nachkriegszeit. Heute erzählt Clara von ihrem ersten Sommer im Jahr 1985 in Machandel. Sie erfährt einiges über ihre Eltern und ihre Großmutter, worüber nie in der Familie gesprochen wurde.

Cover: Buch „Machandel“

Dazu gibt es Kaffee oder Tee und die Millirahmstrudel-Premiere in der WG.

Millirahm-Strudel-Premiere in der WG

Einige BewohnerINNEN sind außerhalb unterwegs. Eine ist Wahlhelferin andere treffen sich mit Freunden. Der Chefkoch und ein Mitbewohner bereitet Auberginen mit Tomatensauce zum Abendessen vor.

Abendessen Auberginen mit Tomatensauce

In die Aschekammer des Kachelofens werden die in Küchenrollenpapier eingewickelten Batik-Eier eingelegt um das Wachs abzuschmelzen.

Der Chefkoch lädt zum virtuellen Abendgebet mit Pater Philipp aus Maria Laach ein. Das kann man sich hier (drei Minuten) anschauen.

Die Batik-Ostereier werden aus dem Aschekasten herausgeholt, ausgepackt und auf einem Teller angeordnet:

Neuzugänge für das Osterbrunnenprojekt

Einige BewohnerINNEN tauschen sich noch über den Tag und die Berlinwahlen aus. Wie es wohl für Bettina Jarrasch ausgeht, die einige, die hier wohnen, persönlich kennen?

vorläufiges Wahlergebnis gegen 22.00 Uhr

 

Was andere BloggerINNEN heute erlebt haben steht bei Frau Caro im Blog „draußen nur Kännchen“ (nach unten scrollen).

Mehr zum Roman „Machandel“ von Regina Scheer.
12 von 12 im Januar 2023: Premiere

xxx

xxx

Gedenkgottesdienst am 2. Februar 2023

Unser Gedenkgottesdienst im Februar hat eine lange Tradition: 37 Jahre. Und in diesem Jahr schließen wir anlässlich seines ersten Todestages am 20. Februar Christian Herwartz mit ein, der diese Tradition ins Leben gerufen hat. Michael Walzer, mit dem er nach Berlin gegangen ist, als Arbeiterpriester engagiert war und die Wohngemeinschaft gegründe hat, ist am 29. Januar 1986 an einem Gehirntumor verstorben. Franz Keller, dessen 9. Todestag wir begehen, kam etwas später zur Gemeinschaft dazu. 

Inzwischen erinnern wir auch an verstorbene (Ex-)MitbewohnerINNEN, Freunde und Freundinnen der Wohngemeinschaft und auch Verstorbene aus dem Kreis der CAJ (christliche Arbeiterjugend), deren Kaplan Michael Walzer war. Ich finde es jedes Jahr von Neuem bewegend, zu diesem Anlaß die inzwischen älter und alt gewordenen CAJler, die Michael noch gekannt haben, zu sehen.

Auch der Gemeinde Sankt Michael nahestehende Verstorbene gehören zu diesem Gedenken dazu.

Wir treffen uns am Donnerstag, den 2. Februar um 18.30 h in Sankt Michael (Waldemarstr. 8, 10999 Berlin) zum Gottesdienst. Anschließend gibt es noch eine heiße Suppe vom Chefkoch.

Am ersten Todestag von Christian Herwartz, also dem Montag den 20. Februar werden wir von der WG sein Grab auf dem St. Hedwigfriedhof III in der Ollenhauer Straße 24-28 (Nähe Kurt-Schumacher-Platz) besuchen. Für alle, die dabei sein wollen und können: Wir treffen uns am Eingang des Friedhofs um 14.30 h.

Zum Weiterlesen:
CAJ-Psalm
Nachrufe von Bewohnern und Freunden der WG

xxx

xxx

Nachlese von Weihnachten

Wie und wann genau das Päckchen mit den Lebkuchenhausteilen seinen Weg zu uns gefunden hat ist nicht mehr nachzuvollziehen. Gestern jedenfalls hat unser Mitbewohner Micha es zusammengesetzt und gestaltet. Im Moment freuen wir uns über viele unterschiedliche kreative Talente in unseren Reihen:

Lebkuchenhaus (Foto vom Chefkoch)

xxx

xxx

12 von 12 im Januar 2023: Premiere

Immer am 12. eines Monats lädt Frau Caro zum Fototagebuch-Bloggen in 12 Bildern ein – WG-Alltag in Bildern. Hier der Erstversuch von unserer Wohngemeinschaft..:

Ich bin der Tisch im Wohnzimmer von der WG Naunynstraße in Kreuzberg. Ich melde mich immer bei #WmdegT (Was machst du eigentlich den ganzen Tag) am 5. eines Monats zu Wort und erzähle, was hier in und um unsere gemeinsamen Räume herum passiert: Also im Wohnzimmer und in der Küche.  Heute ist zum ersten Mal 12 von 12. Wir probieren das einfach mal aus. Eine Premiere. Das bin ich im ausgezogenen Zustand und ungedeckt:

Und so sehe ich aus, wenn ich für das Wochentagsfrühstück gedeckt werde. Das findet um 8.00 Uhr statt für diejenigen, die da sind und nicht nachts gearbeitet haben. Heute haben vier Menschen an mir Platz genommen.

 

 

Danach hat Bruder Winfried, der gerade zu Besuch ist, den Kachelofen gefüttert. Der frisst im Moment ganz schön viel weg.  Unser Kohlenhändler, bei dem wir schon seit 40 Jahren die Kohlen beziehen, hat uns dieses Jahr die gleiche Menge Kohlen gebracht wie letztes Jahr – zum doppelten Preis. Im Haus wird gerade wenig geheizt. Wir haben die zweite Etage und eine Wohnung in der dritten Etage. Der Nachbar in der dritten Etage kommt heute aus dem Urlaub zurück.

 

Kuchenspende für das Cafe Schlürf in den Räumen der Regenbogenfabrik in der Lausitzer Strasse 22. Früher hat die Regenbogenfavrik, die aus der Hausbesetzerszene hervorgegangen ist, selber ein preisgünstiges Stadtteilcafe betrieben. Jetzt machen das verschiedene Gruppen als Soli-Cafe immer nachmittags. Am Dienstag und Donnerstag ist die Gruppe „Cafe Schlürf“ dran. Das sind junge Leute, die das ehrenamtlich machen. Jeder Gast ißt und trinkt, was er oder sie möchte und bezahlt nach den je finanziellen Möglichkeiten. Der Erlös wird für Migranten, die von Polizeigewalt betroffen sind und juristische Beratung benötigen, verwendet. Von uns gibt es einmal in der Woche eine Kuchenspende – meistens am Donnerstag. Man beachte die Transportbox aus Emaille.

Dann ist Telefonieren angesagt. Maria aus dem Allgäu wird zu Besuch kommen. Sie kommt immer im Januar, wenn die grüne Woche beginnt zur Demo „wir haben es satt„: Es geht um gute Landwirtschaft und gutes Essen – gegen die zunehmende Industrialisierung in der Landwirtschaft.

Maria kenne ich seit über 30 Jahren. Sie war schon hier als sie mit ihrem Mann biologischen Gemüse- und Kräuteranbau auf einem Feld betrieben hat und die beiden in einem Wohnwagen am Rand des Feldes wohnten. Sie wollten einen eigenen Bauernhof. Christian, einer der Gründer der WG vor mehr als vierzig Jahren, hat sie gefragt, wie sie sich ihren Bauernhof vorstellt Die Vision entstand dann an unserer Wohnzimmerwand. Den Bauernhof gibt es inzwischen schon viele Jahre.

Dann bekam das Bild, das Christian schon im Wissen um sein baldiges Sterben gemalt hat, einen Rahmen. Elisabeth hat es uns zwischen Weihnachten und Neujahr gebracht. Die Geschichte dazu steht hier.

Unser Besuch hat auf seiner Concertina – so heißt das Instrument – geübt. Vielleicht hört Ihr ihn am Halleschen Tor, wo er in den nächsten Tagen gelegentlich Straßenmusik macht. Er spielt Volkstänze aus vielen Ländern, aber wollte nicht aufs Bild.

Blumenpflege von den Pflanzen am Wohnzimmerfenster war auch angesagt. Der Bewohner mit dem grünen Daumen hat gerade viel außerhalb der WG zu tun. Die Buntnessel, die nach der großen Blüte vor einigen Monaten vor sich hinmickerte, fängt sich wieder. (zweite Pflanze von rechts neben der Primel).


Dann hat sich die Bäckerin auf den Weg zur Regenbogenfabrik gemacht, den Kuchen dort hinterlassen und einen sehr leckeren Milchkaffee bekommen.  Außerdem wurde auf dem Rückweg noch Krepppapier und Textmarker im 1-Euro-Shop besorgt, für das Osterbrunnenprojekt, mit dem es bald weitergehen soll. Wir haben schon 252 gestaltete ausgeblasene Eier. 

 

Zum Abendessen hat der Chefkoch Reis mit einer leckeren Kichererbsen-Bohnen-Gemüsesauce gemacht.

 

Anschließend war Gemeinderat mit Jahresplanung. Davon gibt es kein Foto. Als die Bäckerin zurückkam, hat sie die inzwischen zweifach gegangenen und geflochtenen Hefeteigzöpfe für das Schabbatbrot für Freitagabend gebacken.

 

Dann war es ruhig im Wohnzimmer.

Hier sind die anderen Foto-Tagesrückblicke bei Frau Caro.

xxx

xxx 

Weihnachten orthodox: eine besondere Begegnung

Seit wir einen griechisch-orthodoxen Mitbewohner haben, feiern wir Weihnachten, Ostern und den Nikolaustag (6. und 19. Dezember) zwei Mal. Die meisten orthodoxen Christen feiern Weihnachten nach dem julianischen Kalender, also am 6. Januar. Und so haben hatten wir am Samstag beim offenen Samstagsfrühstück Besuch von den Sternsingern und abends nochmal Weihnachten mit einem besonderen Essen gewürdigt. Der Chefkoch hat eine neue Variante Khachapuri erfunden und zwar mit Oliven und türkischem Feta (auf dem Foto in Schmetterlingsform).

vorne: Salatplatte und dahinter Khachapuri mit Oliven

Am Nachmittag hat unser Mitbewohner von einer besonderen Begegnung erzählt. Am Vormittag ist er mit einer Kerze zur (evangelischen) Thomaskirche in unserer Nachbarschaft gegangen. Er ging davon aus, daß – wie in seiner Heimat – Kirchen den ganzen Tag geöffnet sind.

Kurz bevor er dort ankommt, sieht er vor den Treppen, die zum Kircheneingang führen, einen jüngeren Mann und eine jüngere Frau stehen – beide etwa 30 Jahre alt. Er hört die beiden russisch sprechen und nimmt mit ihnen Kontakt auf. Die beiden sind Russen. Das Land des Mitbewohners ist vor 15 Jahren von Russland angegriffen worden. Er hat in diesem Krieg eine lebensgefährliche Schußverletzung erlitten, an deren Folgen er bis heute leidet.

Der jüngere Mann heißt Igor und seine Schwester Lena. Sie sind noch nicht lange in Berlin. Weil sie nicht wissen, wo in Berlin eine russisch-orthodoxe Kirche ist, sind auch sie gekommen um eine Kerze anzuzünden.

Der Mitbewohner kann ihnen sagen, wo eine russisch-orthodoxe Kirche ist. Igor erzählt, daß er seinen Einberufungsbescheid bekommen hat. Er will nicht in den Krieg. Er will nicht auf Menschen schießen. Deshalb ist er mit seiner Schwester nach Moldawien geflüchtet und von dort aus nach Berlin.

Der Mitbewohner erzählt seine Geschichte. Igor sagt: „Tut mir sehr leid, was dir passiert ist.“ Alle drei stellen ihre Kerzen auf der Treppe ab, zünden sie an, wünschen sich Frieden, und reichen sich die Hand.. 

xxx

xxx

Rosch haSchanah 5783 – jüdisches Neujahrsfest

Rosch haSchanah 5783

In unserer WG ist jede/r frei, die eigenen religiösen Traditionen mit den anderen zu teilen und dazu Gäste einzuladen. Am Sonntagabend begann das jüdische neue Jahr 5783. Der Chefkoch hat sich wieder zwei neue Kreationen ausgedacht, die allen Anwesenden gut geschmeckt haben:

  • Rote Beete Salat mit Äpfeln und Granatapfelkernen
  • Kürbis-Süsskartoffel-Karotten-Auflauf
  • Obstsalat

Vorne im Bild ist das runde Brot aus dem gleichen Teig wie sonst die Schabbatbrot nur daß noch Karotten hineingerieben werden. Daneben die Äpfel, die in Honig getaucht werden und mit denen wir ein süßes und gutes Jahr gewünscht haben. 

Außerdem gab es ein Gebet aus dem „Segensspruch über die Jahre“ in der sephardischen Fassung – also aus der Tradition der aus Spanien stammenden Juden, die sich nach den Vertreibungen 1492 im Mittelmeerraum angesiedelt haben:

Segne Ewiger unser Gott, dieses Jahr 5783 und fülle unsere Hände mit deinen Segnungen und mit dem Reichtum der Gaben deiner Hände.

Möge dieses Jahr

ein Jahr der Liebe,
ein Jahr des Segens,
ein Jahr des Wachsens,
ein Jahr des Strebens nach dem Guten,
ein Jahr der Inspiration,
ein Jahr des Loslassens,
ein Jahr der guten Erinnerungen,
ein Jahr der Wahrheitsliebe,
ein Jahr des Guten,
ein Jahr des Schaffens,
ein Jahr frischer Kraft,
ein Jahr des Lernens,
ein Jahr der Tatkraft und Energie,
ein Jahr des Durchatmens,
ein Jahr der Geduld,
ein Jahr der Unabhängigkeit,
ein Jahr des guten Auskommens,
ein Jahr der Gerechtigkeit,
ein Jahr der Besonnenheit,
ein Jahr der Heilung,
ein Jahr des Friedens,
ein Jahr der Hoffnung,
ein Jahr des Reparierens,
ein Jahr der Rechtschaffenheit werden.

Möge dieses Jahr ein Jahr der Barmherzigkeit und
eine Zeit der Gnade vor dir sein,
für uns und alle Geschöpfe.

(zitiert nach: Marx, Dalia, durch das jüdische Jahr, Leipzig 2021)

xxx

xxx