So geht Inflation (1)

Heute war der Kohlenhändler da, von dem wir seit mehr als vierzig Jahren die Kohlen beziehen. Exakt die gleiche Menge wie letztes Jahr und exakt der doppelte Preis.

Beim Discounter stand bei der bekannten Margarinemarke, die mit R beginnt „neu“. Der Preis wurde mit 2,19 Euro angegeben. Vor drei Monaten gab es die für 1,49 Euro. Als ich für einen Nusskuchen Margarine aus dem neuen Becher nahm, war der merkwürdig leer. Bis jetzt habe ich doch exakt zwei Nusskuchen davon backen können. Auf dem Becher stand 400 g. Für einen Nusskuchen brauche ich 250 g Margarine. Mir fiel ein, daß ich in einem alten Margarinebecher dieser Sorte Tapetenkleister für Bastelzwecke angesetzt habe. Mein Weg führte zum Bastelregal. Und tatsächlich: Auf dem alten Margarinebecher stand: 500 g .

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Internationaler Tag gegen Hexenwahn

Heute – am 10. August – ist der internationale Tag gegen Hexenwahn.

Länder, in denen Frauen als Hexen verfolgt werden können (Karte: Missio Aachen)

Vor Corona wurde in St. Michael nach der Messe im Gemeindesaal zum gemeinsamen Frühstück eingeladen. Wer konnte, brachte etwas zum gemeinsamen Essen mit. Alle paar Monate wurde ein Projekt ausgewählt, für das während des Frühstücks ein Teller herumging. Obwohl die Meisten in der Runde wenig Geld hatten, kamen im Lauf der Monate beachtliche Beträge zusammen für das Haus der Hoffnung, einen Schutzraum, in dem gefährdete und betroffene Frauen aufgenommen und geschützt werden.

Das letzte Projekt, das auf diese Weise gefördert wurde, war die Initiative einer Schweizer Franziskanerin, die seit vierzig Jahren in Papua Neuguinea lebt und arbeitet, und den Hexenwahn auf verschiedenen Ebenen bekämpft. Der Vorschlag, dieses Projekt zu unterstützen kam aus unserer Wohngemeinschaft. 

Einen anderen Bezug zu Papua Neuguinea hatten wir bereits. Vor fünf Jahren kam Horst, ein Freund unserer WG, mit einer Gruppe aus der Partnergemeinde seiner damaligen Gemeinde, aus Papua Guinea zu Besuch.

Zum Weiterlesen:
Interview mit Schwester Lorena auf katholisch.de
Studie über Hexenwahn in Papua Neuguinea (46 Seiten)

Auf youtube gibt es einige Interviews (12 – 15 Minuten) mit Schwester Lorena


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Ohne Handy unterwegs

Ein ehemaliger Mitbewohner kommt zu Besuch. Er hat kein Mobiltelefon, und er möchte auch keines. So weit es ihm möglich ist, möchte er Strahlungen vermeiden. Es wird immer schwieriger im öffentlichen Raum Telefonzellen zu finden die keine Telefonzellen mehr sind sondern Telefonsäulen. Die sozialen Einrichtungen, in denen er das Telefon nutzen darf, öffnen erst um 14.00 Uhr. Er muß aber in einer bestimmten Stelle, die ihm in Wohnungsangelegenheiten weiterhelfen will, noch vor 12.00 Uhr anrufen.

Früher mußte ein Telefonat nur bezahlt werden, wenn der Angerufene ans Telefon ging.  Heute kostet jeder Wählversuch auch wenn belegt ist oder das Freizeichen ertönt. Die Post   Telekom stellt ja die Leitung zur Verfügung. Für Menschen mit wenig Geld und begrenztem Zugang zum Telefon eine schwierige Situation. 

Heute hat unser ehemaliger Mitbewohner die Sachbearbeiterin nicht erreicht. Er soll sich Anfang nächster Woche wieder melden.

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Neues vom Bauarbeiter-Professor (2)

Gelegentlich werde ich nach dem Bauarbeiter-Professor gefragt. Im Februar 2020 habe ich von ihm erzählt im Beitrag vom Bauarbeiter-Professor, vom Taxidoktor und unseren Blindheiten.  Vor Kurzem habe ich den Cousin gesprochen und konnte sogar über Whatsapp kurz mit dem Bauarbeiter-Professor sprechen. Auch an seiner Uni ist online-Unterricht angesagt. So hält er seine Vorlesungen und Seminare per Computer. Er findet es sehr anstrengend.

Neue Entwicklungen haben sich aufgetan. In seinem Land ist gewählt worden. Im Rahmen der Regierungsbildung hat man ihm eine neue Aufgabe angeboten. „Gleich unter Minister“ erklärt mir der Cousin. „Sowas wie ‚Staatssekretär‘ bei uns?“ frage ich nach. Ja, genau. Er wird sich dann von der Uni beurlauben lassen.

Zum Weiterlesen:
Vom Bauarbeiter-Professor, vom Taxidoktor und unseren Blindheiten

 

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Politisches Nachtgebet: Seenotrettung im Mittelmeer

Zu den ersten Geflüchteten, die vor vierzig Jahren in unserer WG mitlebten, gehörten Boatpeople aus Vietnam. Seit 2014 sind über 20 000 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken. Jakob Frühmann, der auf dem Rettungschiff Seawatch 4 im Einsatz ist, wird uns von seinen Erfahrungen erzählen.

Zeit: Montag 31. Mai 2021 um 20.00 h
Ort: St. Michael Kreuzberg, Waldemarstr. 8-10

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Zivilcourage: Unsere Nachbarschaft im Spielfilm

 

mit Götz George in der Hauptrolle (Dauer: 90 Minuten)

Ein Mitbewohner hat ihn im Internet entdeckt: „Zivilcourage“, einen Spielfilm, auf Straßen und Plätzen unserer Nachbarschaft gedreht wurde und Lebensrealitäten in der „Hausmannstraße“ – wie sie im Film heißt – abbildet. 

Wir haben den Film miteinander angeschaut. Schon eine ungewohnte Erfahrung, das eigene Stadtviertel, die Straßen, auf denen man täglich unterwegs ist, und einiges, was uns begegnet, im Film zu sehen. 

Infos zum Inhalt, zu den Mitwirkenden und zur Herstellung
Eine Filmkritik in der WELT

Mehr aus unserer Nachbarschaft

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Kommunitätsabend über und mit Werner

Vorgestern am späten Vormittag habe ich einige Erinnerungen an Werner (1954 – 2021) gepostet und war ganz perplex wie oft dieser Beitrag am gleichen Tag gelesen wurde. Es waren drei Mal soviel Aufrufe wie sonst an guten Tagen. Werner wäre über dieses Interesse an seiner Person sicher sehr erstaunt.

Jeden Dienstag treffen wir uns zu einen Gemeinschaftsabend (Kommunitätsabend), der mit einem gemeinsamen Essen beginnt. Danach erzählen wir uns in einer Austauschrunde, was uns in der vergangenen Woche bewegt hat und wichtig geworden ist. Durch die Beiträge einzelner, wie sie Werner erlebt haben, ist er uns an diesem Abend nochmal anders nahe gekommen und hat sich der Blick auf ihn erweitert. Später meinte jemand, es sei gewesen als ob Werner mit dabei war. 

Werner war aus Westfalen und ist als Erwachsener nach Berlin gekommen. Nach der Wende gab es bei ihm einen beruflichen Abbruch wie bei vielen anderen. Mit der auslaufenden Berlinförderung fielen viele Arbeitsplätze weg, weil Unternehmen sich andere Standorte suchten oder nicht mehr halten konnten. 

Werner arbeitete dann als Ein-Euro-Jobber im Hausmeisterbereich und in der Grünanlagen- und Gartenpflege in sozialen Projekten. So kam er nach Kreuzberg in die katholische Kirchengemeinde St. Marien-Liebfrauen und St. Michael. Für einige Menschen innerhalb und außerhalb der Kirchengemeinde hat Schwester Ingrid von den Siessener Franziskanerinnen mehrmals wöchentlich einen Mittagstisch angeboten. Auch Werner hatte Teil an dieser Runde wenn er in Sankt Michael eingesetzt war. Über den Kontakt mit Schwester Ingrid entstand dann die Verbindung zu unserer WG zwei Straßen weiter.

Werner war immer in Bewegung, immer unterwegs, hatte immer zu tun. Nach den üblichen Maßstäben war er – materiell gesehen – arm. Er lebte von Grundsicherung und vom Flaschen sammeln. Er konnte sich unglaublich über ein Sonderangebot im Supermarkt freuen. Er war sehr bescheiden und brauchte für sich nur ganz wenig. „Ich gebe 90 Prozent weiter“ war sein Lebensmotto. Das Miteinander-Teilen war sein Herzensanliegen und daß nichts verschwendet wird. 

So hatte er einen festen Kreis von Leuten in seiner Nachbarschaft in Neukölln, denen er abgelaufene Lebensmittel aus Geschäften und Supermärkten in seiner Umgebung brachte. Dort durfte er kurz vor Geschäftsschluß an der Rampe aussortieren, was er weiter verteilen wollte. Zwei- bis drei mal in der Woche – meist am späten Abend wenn er die erste Runde Flaschen sammeln hinter sich gebracht hatte – kam er dann bei uns vorbei zum Abendessen und mit mehreren Kisten voller Lebensmittel. Am Samstagabend betonte er immer: „Was ihr nicht braucht, das nehmt ihr morgen in die Kirche mit“. Er wußte vom Sonntagsfrühstück in St. Michael nach der Messe und wollte auch dort einen Beitrag leisten.

Da wir von einer Bäckerei mehr Brötchen und Backwaren bekommen als wir verbrauchen können, nahm er dann trockenes Brot mit für „die Tiere“, das er dann zu einem Kinderbauernhof brachte. 

Seit seine Lebensgefährtin Ingrid verstorben war, mit der er dreißig Jahre zusammen war, war der Friedhof mit ihrem Grab eine wichtige Anlaufstelle für ihn geworden. Er kümmerte sich auch um die benachbarten Gräber („die Blumen dort haben auch Durst“) und nahm auf eigene Faust einige gärtnerische Eingriffe in die Friedhofslandschaft vor (Bank versetzen, Büsche beschneiden…). Als ich ihn fragte, was denn die Friedhofsmitarbeiter zu seinen – unabgesprochenen – Aktivitäten meinten, machte er eine wegwerfende Handbewegung und sagte: „Die sind doch froh wenn jemand was tut. Die haben doch immer weniger Zeit“.

Er hatte ein weites Herz. Sehr interessiert und wach hat der das politische Geschehen verfolgt und kommentiert. Werner war einer, der sich gekümmert hat. Im Lazarus-Hospiz durfte er in seiner letzten Lebensphase erleben, daß sich um ihn gekümmert wird. Er fehlt uns: Kein Hallö-öchen und kein Tschau-i-i mehr. 

Zum Weiterlesen:
Tschau-i-i Werner
Voll die Härte für Arme: Zwei Monate mit 31 Tagen


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Corona läßt frösteln …

… ist ein Artikel in der taz von heute überschrieben, auf den hier aus verschiedenen Gründen hinweisen. Unsere Gemeinschaft ist seit vielen Jahren mit der Gemeinschaft Brot des Lebens befreundet, die in diesem Winter an drei Standorten Notübernachtungsplätze für Obdachlose anbietet. Im Artikel wird die Situation in St. Pius beschrieben. Dort dürfen wir die Räumlichkeiten der Notübernachtung im Sommer immer wieder für Exerzitien auf der Straße nutzen. Zuletzt waren wir mit einem Kurs Ende August dort und konnten ausprobieren, wie Straßenexerzitien unter Corona-Bedingungen stattfinden können.  

 

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