Weltgebetstag gegen den Menschenhandel

Heute begeht die katholische Kirche den Weltgebetstag gegen den Menschenhandel. Sr. Margit Forster und Sr. Mabel Mariotti sind / waren eng mit unserer Gemeinschaft verbunden. Sie sind 2006 nach Berlin gekommen, haben in unserer Gemeinschaft mitgelebt. Daraus ist die Beratungsstelle von Solwodi Berlin für Migrantinnen überwiegend aus afrikanischen Ländern entstanden. Ein Schwerpunkt ist die Arbeit mit Frauen, die von Menschenhandel und oft auch Zwangsprostitution betroffen sind. Wie sie zu diesem Engagement gekommen sind oder dieses Engagement zu ihnen erzählen sie im Einfach-Ohne-Buch (Seite 111), einer Textsammlung der WG Naunynstraße:  

Einfach offen – Comboni Missionsschwestern in Berlin

 

Ohne Sprache….
Ich konnte damals noch kein Deutsch, als ich zu Straßenexerzitien nach Berlin kam. Es war verrückt. Jetzt weiß ich es, aber ich glaube, ich habe das erst richtig begriffen, als ich schon im Flugzeug war, unterwegs nach Berlin. Ich wusste nur einfach, dass ich das machen musste. Es war ein Moment des Umbruchs für mich. In meinem Orden nannten sie es „Krise“. Und als ich ein paar Monate in Rom war, geparkt, weil meine Oberinnen nicht wussten, was sie mit mir machen sollten, erinnerte ich mich an Gabriella, die mir einmal von den Straßenexerzitien erzählt hatte. Es war der richtige Zeitpunkt. Straße, wieder auf der Straße. Und ich hatte Lust, Gott weg von den Strukturen, weg von Regeln und vom Geplanten zu begegnen. Und du, Margit, warst auch in Rom. Warst die einzige Deutsche in unserem Orden, aber was war mit der deutschen Sprache?

Ach, die war weg. Die war irgendwie weg, ich konnte sie nicht so leicht abrufen, weil ich sie lange nicht benutzte. In den 27 Jahren die ich weg war, habe ich die Sprache nicht benutzt. Nur im Urlaub habe ich Fränkisch mit meinen Eltern gesprochen. Aber die Straßenexerzitien wollte ich einfach machen. Es war der Moment. Ich wusste, dass Christian Herwartz einmal im Jahr Straßenexerzitien in Nürnberg anbot, aber ich hatte nur im Februar Zeit und da gab es keine geplanten Exerzitien. Dann hat Christian gesagt, dass wir nach Berlin kommen könnten. Ich wollte aber nicht alleine nach Berlin, dann habe ich dich, Mabel, gefragt ob du mitkommen möchtest.

Ohne Regeln…
Wir kamen in der Nacht am Kotti an, und alles um uns herum war einfach ganz anders als im Generalat in Rom. Es war die erste Begegnung mit der Straße. Wir kamen in der Naunynstraße an, und alle hießen uns herzlich willkommen. Ich spürte sofort, dass ich an diesem Ort etwas zu finden hatte, oder zu suchen. Es ist schwierig zu beschreiben, aber ich fühlte mich so angezogen, dass ichmich selbst überraschte, als ich sagte, hierher muss ich zurückkommen. Am Tag darauf gab uns Christian ein Blatt mit den Orten, die wir besuchen konnten, am Rande der Stadt, Orte der Armut, Orte des Widerspruchs, des Widerstands, wo Geschichten der Vergangenheit und der Gegenwart sich vermischten. In der Gemeinschaft gibt es keine Regeln, sagte Christian, nur die Gastfreundschaft. Der Kopf konnte das nicht begreifen, aber das Herz spürte einen großen Frieden und eine große Freude, eine Erweiterung. Das war klar: die Gastfreundschaft ist die goldene Regel, und wenn man sie lebt, braucht man keine anderen, sie sind sogar ein Hindernis, eine Ablenkung.

 

Ohne Uhr…
Und dir Margit wurde die Uhr genommen.
Ja, an einem Sonntag als der Gottesdienst eine Stunde später anfing und wir mit Christian auf dem Gras vor der Thomas Kirche warteten. Sie war weg und ich wusste nicht für wie lange, aber ich wusste es war ok. Acht Monate später beim Auszug habe ich sie wiederbekommen. Die Zeit ohne Uhr war Zeit ohne Druck, ohne Zwänge, ohne etwas zu müssen. Einfach leben. Es war nicht wichtig zu wissen wie spät es war. Nur früh morgens hat der Wecker geklingelt, damit ich um sechs im Café Krause, dem Obdachlosentreff in der Thomas Kirche, sein konnte, um mit den Obdachlosen zu frühstücken. Auch da hatte ich keine Funktion, ich war nur da um mit diesen Menschen zu frühstücken. Der Pfarrer hatte mich gefragt, ob ich das machen würde. Ich bin einfach hingegangen und habe mich dazugesetzt und gefrühstückt. Ich war eine von ihnen. Die Begegnungen haben sich ergeben, dort wie auch im Hause oder auf der Straße. Ich hatte Zeit und konnte sehen wie Menschen kämpfen um zu überleben, materiell oder in zerbrochenen Beziehungen.
Die Obdachlosen hatten oft ganz normale Familien und Beziehungen und sind dann durch irgendwelche Umstände wie Krankheit oder Arbeitslosigkeit auf der Straße gelandet. Manche von ihnen waren fast glücklich auf der Straße. Das war mein Eindruck. Im Café Krause waren viele fröhliche Menschen. Manche sind auch gekommen, um dort zu duschen. Manche hatten kleine Tätigkeiten, wie Flaschensammeln. Sie hatten Zeit auch zwei Teller Suppe zu essen, miteinander zu reden. Und ich war da und hatte auch Zeit so wie sie.

Ohne Aufenthaltserlaubnis…
Nach den Exerzitien war es mir klar: Ich musste nach Berlin zurückkommen. Auch wenn es wegen der Sprache verrückt war. Aber in der Gemeinschaft gab es viele Sprachen, und jemand war immer bereit zu übersetzen. In der Gemeinschaft, die schon seit dreißig Jahren am selben Ort bestand, hatten schon viele Menschen von unterschiedlichen Sprachen, Religionen, Kulturen und Richtungen einen Ort gefunden. Dann fragte ich meine Oberin, ob ich vier bis maximal sechs Wochen nach Berlin kommen konnte.

 

Und du, Margit, warst auch in einer Krise mit deiner Arbeit Rom. Es war dir klar, dass eine Reflexion – und es war deine Aufgabe, diese auf Ordensebene zu organisieren – nur mit dem Kopf keinen Sinn machen würde. Ich habe dich bewundert, dass du den Mut gehabt hast, deine Arbeit im Generalat aufzugeben und auch nach Berlin zu kommen, auf die Spuren, die du während der Exerzitien gesehen hattest.

Ja, das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. In der Gemeinschaft der
Naunynstraße und auf den Straßen Berlins habe ich das Leben wiedergefunden, Freude über die Zugehörigkeit zu den Suchenden.

 

Nach sechs Wochen in Berlin waren wir mit unserer Suche noch am Anfang. Das war das einzige was wir wussten. Auch nach drei Monaten war es so. Als Italienerin hätte ich mich nach drei Monaten anmelden sollen, sonst war ich auf eine Art illegal. Die Anmeldung aber hatte mit einer Sesshaftigkeit zu tun, und ich wusste nur jeden Tag, dass ich den Tag dort verbringen musste. Christian, der uns beide begleitet hat, hat uns in dieser Wahrnehmung bestärkt. Und die Gemeinschaft war einfach ein freier und offener Raum, wo Leere und Fülle sich begegneten. Menschen, die alle nur das voneinander wussten: dass auch die andere oder der andere auf der Suche war, auf der Suche nach dem Glauben, nach einem neuen Auftrag, nach einer neuen Richtung, nach einem Obdach. Irgendwie waren wir alle ohne „Aufenthaltstitel“. Alle in diesem offenen Raum, der keine Grenzen kennt.

Ohne zu wissen wie es weiter geht…

 

Dass ich das mit 51 sagen würde, hätte ich mir auch nie träumen lassen. Gleichzeitig war es gerade dieses Nichtwissen, das stimmig war. Mir wurde langsam klar, dass eine Art zweite Berufung im Raum stand und dass diese mit „einfach leben“ zu tun hatte, ohne viele große Reflexionen und Planungen. Es war mir weder wichtig noch hilfreich zu wissen, wie die nächsten sechs Jahre verlaufen sollten. Es war mir wichtig und hilfreich dagegen, den einfachen Menschen nahe zu sein. Nicht in einer Funktion als Chefin oder Oberin, sondern ganz einfach als Schwester, als eine unter anderen.

Und was war mit dem Comboni Charisma an diesem Ort?

 

Das Comboni Charisma neu entdecken…

Ich hatte angefangen zu einem Sprachkurs zu gehen um die deutsche Sprache zu lernen. Die letzte Sprache, die ich mir als Comboni Missionsschwester vorgestellt hatte zu lernen. Gerade zu der Zeit, als unsere einzige Gemeinschaft im deutschsprachigen Raum, in Nürnberg, geschlossen wurde, weil in Frage gestellt wurde, ob Deutschland für die Combonischwestern ein Missionsland war. In Berlin aber hatte ich meine Berufung so stark gespürt, sowohl in der Gemeinschaft als auch auf den Straßen einer Stadt, die für mich ein Symbol war für Einheit, für die Vereinbarung von Gegensätzen, eine Stadt, die noch die Spuren der Ungerechtig-keit und Unterdrückung zeigte. In dieser Zeit bekam Margit einen Anruf von Sr. Juvenalis, der wir einmal begegnet waren und mit der wir über unsere Suche nach einer neuen Aufgabe in dieser Stadt als CMS gesprochen hatten, weil wir diese neue Berufung so stark spürten. Sie sagte, dass Sr. Lea Ackermann zwei Ordensschwestern in Berlin suchte, um eine Beratungsstelle von SOLWODI aufzubauen und Frauen auf der Flucht und Opfer von Menschenhandel und anderen Formen von Gewalt zu unterstützen und ihnen dabei zu helfen, ein neues Leben zu finden. Ich hatte schon in den USA im Rahmen meines Studiums der Psychologie in diesem Bereich gearbeitet. Und jetzt war ich froh über solch eine Aufgabe, in der ich nicht als Direktorin wie in Dubai sondern als Begleiterin arbeitete. Diese Arbeit war ein klarer Auftrag Gottes, unser Charisma unter diesen Frauen zu leben, sie zu beschenken und uns von ihnen beschenken zu lassen. Wir wollten besonders afrikanische Frauen, die wegen Rassismus oft mehr benach-teiligt sind, unterstützen. Diese Frauen stärken uns hier in Berlin in unserem Charisma, weil unsere Leidenschaft für ihre Inklusion in die Gesellschaft und für die Gegenseitigkeit im Glauben ein Reflex der Leidenschaft Combonis für eine Welt ohne Sklaverei und ohne Grenzen ist. Für Comboni war Afrika die „schwarze Perle, die in der Kirche noch fehlte“.

 

Nur Dankbarkeit…
Und jetzt zurück zum Anfang: Einige von diesen Frauen haben wir im Laufe der Zeit in der Naunynstraße unterbringen können, weil sie in Not waren und ein Obdach brauchten. Wir wussten, es war der richtige Ort, ein offener Raum der Inklusion und der Grenzenlosigkeit. Dort haben alle einen Aufenthalt im Reich Gottes, und das ist genug. Und diese Frauen haben das Leben wieder neu gefunden, weil sie sein durften wie sie sind. Ja, das ist die Naunynstraße: der Ort wo jeder und jede sein darf wir er oder sie ist, das ist das Reich Gottes auf der Erde, das Reich Gottes, für das Comboni und andere Held*innen der Geschichte der Menschheit gelebt haben und für das sie gestorben sind.
Am Ende dieser unvollständigen Erzählung bleibt von uns beiden einfach eine tiefe Dankbarkeit.

 

Mabel und Margit

Ein Artikel über die Solwodi-Beratungsstelle ist hier.

Ergänzung im Februar 2021:
Margit ist im April 2020 kurz vor ihrem Renteneintritt gestorben, Mabel ist nach Italien zurückgekehrt. Die Übergabe der Beratungsstelle an ihre Nachfolgerinnen war wegen des bevorstehenden Renteneintritts von Margit bereits vorbereitet. 
Mehr vom Einfach-ohne-Buch, einer Textsammlung der Wohngemeinschaft Naunynstraße

Ein Tisch erzählt … vom Fest (2)

Ein Tisch erzählt … vom Fest: Teil 1

Am Samstagmorgen, dem großen Tag, versammelten sich alle, die da waren um 8.00 Uhr um mich um zu frühstücken. Das war ungewöhnlich früh, denn normalerweise findet das Samstagsfrühstück immer als offenes Frühstück von 9.30 h bis 12.30 h mit vielen Gästen in großer Runde statt. Es war das erste Mal, daß das Samstags-frühstück in dieser Form ausfiel – und zwar wegen der vielen Vorbereitungen für das Fest, das um 15.00 Uhr beginnen sollte.

Außer den Bewohnern saß noch ein Gast in der Frühstücksrunde: Dorothea aus Frankfurt. Die kannte ich schon von ihrem Aufenthalt im Februar als sie zwei Wochen in der Naunynstraße zu Gast war und in einer Flüchtlingsunterkunft mitgearbeitet hat und zwar im Rahmen eines Praktikums für die Ausbildung zur Exerzitienbegleiterin. Danach hat sie noch das Osterwochenende in der Naunynstraße verbracht. Sie wollte den Bewohnern und Bewohnerinnen etwas Wichtiges mitteilen. Es wurde ganz still. Dorothea erzählte, wie sehr die Zeit in der Naunynstraße sie berührt hat und die Gemeinschaft sie nicht mehr losgelassen hat. Darüber war sie mit verschiedenen Menschen im Gespräch und hat beschlossen, ihre Zelte in Frankfurt abzubrechen und zum September in die Naunynstraße zu ziehen. Was für eine Überraschung für die meisten. Christian und Iris haben es wohl schon gewußt.

Nach dem Frühstück ging es sehr turbulent zu. Es wurden noch einige praktische Absprachen getroffen. Vieles, was zum Fest benötigt wurde und in der Naunynstraße zwischengelagert wurde, mußte zusammengepackt werden und ins Sharehaus gebracht werden, wo das Fest stattfinden sollte.

Und dann – es war inzwischen Mittag geworden – kam eine noch größere Überraschung für mich. Ich wurde – im wahrsten Sinne des Wortes – auseinander genommen: Meine beiden Seitenplatten, die ausziehbar sind, wurden abgenommen und dann auch noch meine Tischplatte entfernt. Ich wurde von Dorothea und Michael zwei Treppen hinunter getragen und in Michaels Transporter verstaut.

Foto: Miriam Bondy

Mittelteil vom Wohnzimmertisch mit Dorothea und Michael; Foto: Miriam Bondy

Das erste Mal seit Jahrzehnten sah ich das Leben außerhalb der Wohnung in der Naunynstraße, von dem immer so viel erzählt wird. Es hat sich viel verändert seit ich das letzte Mal Straßenkontakt hatte. Für mich war das sehr aufregend. Die Fahrt hätte ruhig länger dauern können. Es ging nur ins nahe gelegene Neukölln – ins Sharehaus. Dort leben geflüchtete Menschen. Es gibt Kreativwerkstätten und im Erdgeschoß eine Cafeteria. Neben der Cafeteria befindet sich ein großer Saal, der früher ein Kirchenraum war. Das ist noch deutlich zu sehen. Dort nun sollte das Fest, Christians Geburtstag, sein Abschied, der Generationswechsel und die Übergabe an Iris und Michael gefeiert werden. Ich wurde durch den großen Saal getragen, ganz nach vorne, wo eine Bühne aufgebaut war. Dort wurde ich mit meinen Einzelteilen an die Wand gelehnt.

Mir war ganz schwummerig. Um mich herum im Saal war unglaublich viel los: Es wuselte und brummte. Lange Tischreihen waren von fleißigen Helferinnen und Helfern aufgebaut worden und liebevoll mit Kerzen und Servietten dekoriert. RocknRollF zeichnete Plakate, die auf die verschiedenen Programmpunkte hinwiesen oder deutlich machten, wo Toiletten sind und wo geraucht werden konnte und was es sonst so an Do’s und Don’ts gab. Blumen wurden im Raum verteilt, die Musik- und Lautsprecheranlage überprüft, Biertische und Bänke und viele Getränkekisten hereingebracht.

Cover

Cover

In einer Nische in der Wand an der Längsseite waren eine Menge Bücher aufgebaut: Mindestens 400 Exemplare vom Einfach-ohne-Buch, das an die Gäste verschenkt werden sollte. Ich kenne das Buch fast auswendig, weil die Beiträge auf mir sortiert wurden und Hilmtrud wochenlang das Korrekturlesen an mir durchgeführt hat.  Aber ich will nicht abschweifen.

Ein Kollege von mir mit ziemlich bombastischen Ausmaßen, der sonst im Olivenhandel auf den Wochenmärkten im Münsterland tätig ist, wurde an der gegenüberliegenden Längsseite aufgebaut um das Kuchenbüffet und später das Abendbüffet zu tragen. Ich winkte ihm freundlich zu und war froh, daß ich an diesem Tag nichts weiter zu tun hatte – dachte ich zumindest…

Fortsetzung:
Teil 3: Ein Tisch … als Zeichen der Gemeinschaft

 

Einfach ohne … Umwege

Cover

Cover

Franz schreibt im EINFACH OHNE -Buch:

Meine Erfahrungen mit Christian Herwartz

Als ich aus der Abschiebehaft ohne Papiere bei Christian ankam und nur Obdach für eine Nacht erbat, hat er mich aufgenommen. Aus einer Nacht sind sieben Jahre geworden. Christian hat mir Tag für Tag neu Mut gemacht, Hoffnung zum Weiterleben und hat alle menschlichen und rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, um mir ein Bleiberecht zu verschaffen, ja viel mehr, er hat es ermöglicht, dass ich als freier Mensch leben kann. Die Hilfe, die Christian mir geschenkt hat, ist so groß, dass ich sie nicht in Worte fassen kann. Es ist mehr, als Menschen aus sich heraus geben können. Ich habe bei Christian gesehen, was es heißt: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Ich habe in der Person von Christian erfahren, wie die Seligpreisungen Jesu an mir Wirklichkeit geworden sind: Einfach mit Geschichte Ich hatte Hunger und er hat mir zu essen gegeben. Ich hatte kein Obdach und er hat mir Wohnung gegeben. Ich hatte nichts anzuziehen und er hat mir Kleidung gegeben. Ich hatte keinerlei finanzielle Mittel und er hat mir Geld gegeben. Ich hatte keine Papiere und er hat mir Recht verschafft. Ich hatte Angst auf die Straße zu gehen und er hat mir Mut gemacht. Ich hatte keine Arbeit und er hat mir Arbeit beschafft. Ich hatte niemanden hier, den ich kannte und dem ich vertraute und ich habe durch Christian viele Freunde und eine große Familie gefunden. Als ich Christ wurde, habe ich meine Herkunftsfamilie verloren. Durch Christian bin ich in eine neue Familie hineingewachsen. Ich habe in ihm mehr als einen Vater, mehr als einen Bruder gefunden!

Meine Erfahrungen mit Franz Keller

Als ich ganz neu in der Naunynstraße wohnte, habe ich gesehen, dass Franz ein ganz besonderer Mensch ist. Immer wenn er sich mir zuwandte und mit mir sprach, spürte ich seine Liebe und Wärme. Sein Lächeln strahlte so viel Freundlichkeit und Menschlichkeit aus! In der Bibel hatte ich gelesen: Gott ist die Liebe. Und in den Augen von Franz habe ich diese Liebe Gottes gesehen! Im Gottesdienst der Kommunität habe ich immer neben Franz gesessen. Da habe ich ihn mehrmals gebeten, in einem konkreten Anliegen für mich zu Gott zu beten. Als Franz das für mich tat, passierte es mehrmals, dass meine Bitten in kurzer Zeit erfüllt wurden, auf wundersame Weise. Dadurch ist mein Vertrauen zu Gott immer größer geworden. Franz war wie eine Brücke zwischen mir und Gott. Als ich schon begonnen hatte, an Gott zu glauben und erfahren hatte, dass Gott die Bitten erfüllt, die ich über Franz vor ihn bringe, bat ich Franz erneut, weiter in meinem Namen bei Gott zu bitten. Ich hielt dies für einen guten Weg, denn Franz war ein heiliger Mensch für mich, weil Gott offenbar auf ihn hörte. Aber eines Tages sagte Franz zu mir: „Du bist selbst ein Mensch, genau wie ich. Du selbst darfst Vertrauen zu Gott haben. Du selbst hast deine ganz eigene Beziehung, die direkt zu Gott geht. Du musst nicht den Umweg über mich nehmen.“ Während Franz so zu mir sprach, sah ich die Liebe Gottes in seinen Augen. Deshalb habe ich geglaubt, dass es wahr ist, was er mir sagte. Deshalb habe ich es gewagt, selbst in Beziehung zu Gott zu gehen und ihm meine Bitten auf direktem Weg vorzutragen. Durch Franz und Christian ist für mich die Liebe Gottes so deutlich geworden, dass sie mir das Liebste geworden sind, was ich auf Erden habe, gleich nach Gott Vater, Gott Sohn und dem Heiligen Geist.

Mehr zum EINFACH OHNE – Buch, einer Textsammlung der Wohngemeinschaft Naunynstraße

das EINFACH OHNE – Buch ist da

Cover

Cover von Rockn Rollf, Rolf Kutschera

Am Montag Nachmittag kam der Kleintransporter mit den EINFACH OHNE – Büchern. Zu fünft haben wir die Bücher relativ schnell ausgeladen und verstaut.

Der dritte Band der Textsammlung der Gemeinschaft Naunynstraße „EINFACH OHNE – Briefe und Texte an eine Berliner Wohngemeinschaft“ ist aus Anlass des Generationswechsels in der Naunynstraße, der Suche nach neuen Verantwortlichen und dem Prozess des Neu-Zusammenfindens entstanden. Christian Herwartz wird eine längere Reise machen und feiert den Start am 16. April 2016. Ist die Mission in Kreuzberg in Solidarität zu leben erfüllt und was macht sie eigentlich aus?

Mit dieser Frage sehen wir den vorhandenen Kolonialismus und die scheinbare westliche Überlegenheit bei uns in Europa neu. Die Länder des globalen Südens werden bis heute ausgebeutet, unterstützt von Knebelverträgen und deutschen Waffenlieferungen. Auch in Europa ziehen wir Grenzlinien zwischen denen, die dazugehören und denen, die anders sind. Wie kann es Wege geben, diese koloniale Übergriffigkeit zu überwinden und uns auf Augenhöhe zu begegnen? Die kolonialen Ideen werden auch im Umgang mit Flüchtlingen deutlich. Den Flüchtlingen sollte genauso wie den AutorInnen dieses Buches zugehört werden, damit sie ihre Erfahrungen und Wünsche in unsere Gesellschaft einbringen können. Dann sind sie keine Objekte des Helfens mehr. In diesem Buch erzählen Menschen von ihren Erfahrungen, Perspektiven und Lebensfragen, die der Kommunität auf ihrem neuen Weg, und viele andere begleiten und zum Nachdenken anregen können. Erfreulich sind auch die vielen Beziehungen, die mit der Naunynstraße und ihrer Idee verbunden sind.

Das Buch besteht aus folgenden Kapiteln:
– Einfach ohne Kolonialismus
– Einfach ohne
– Einfach ohne Vorgaben
– Einfach ohne Schuhe
– Einfach ohne Fragerei
– Einfach offen
– Einfach Mensch sein
– Einfach in Fülle
– Einfach gemeinsam
– Einfach freiwerden
– Einfach mit Solidarität
– Einfach mit Hoffnung
– Einfach mit Frieden
– Einfach mit Geschichte
– Einfach mit Zukunft

Mehr als 120 Menschen haben uns Texte und Bilder zur Verfügung gestellt. Das Buch hat 288 Seiten, und wir verschenken es an die, die es lesen mögen. Es ist nicht käuflich. Ein Beitrag zu den Druck- und Versandkosten ist möglich und erwünscht.
Bestellungen unter: naunyn (ät) gmx (dot) de