An eurer Seite: Christian Herwartz – ein Leben jenseits der Komfortzone

ein Nachruf von Jörg Machel

Jesus war Schreiner wie auch sein Vater, viele seiner Weggefährten waren Fischer. Die ersten Christen würde man heute wohl eine Graswurzelbewegung nennen. Das religiöse Establishment misstraute ihnen. Seit die Kirche auf die Seite der Macht gewechselt ist, hat sie den Kontakt zur Arbeiterschaft verloren. So sah das mein Onkel. Der war ein sehr selbstbewusster VW-Arbeiter. Und mit der Kirche hatte er schon früh gebrochen. Die paktiert mit denen da oben, nicht mit uns. Meinte mein Onkel.

Christian Herwartz hätte meinen Onkel verstanden. Ja, so hat er die Kirche auch erlebt, egal ob katholisch oder evangelisch, weit weg von der Welt der Arbeiterklasse. Der Begriff klingt heute altmodisch. Aber in den sechziger, siebziger Jahren gab es noch die Rede vom „Klassenbewusstsein“. Da stand mein Onkel am Band. Und Christian Herwartz wurde Arbeiter-Priester. Missionar im Sinne dessen, was mein Onkel befürchtete, war Christian nicht. Seine Mission war es, verstehen zu wollen. Christian Herwartz wollte das Leben der Menschen teilen, im Betrieb und auf der Straße.

Sein Vater war U-Bootkapitän, später Offizier der Bundeswehr. Seine Kindheit war durch ständige Umzüge geprägt. In keiner Schule war er lange genug, um sich einzuleben, immer neue Klassenkameraden, neue Lehrer, neue Lernstoffe. Nur schnell raus aus der Schule. Das Maschinenbaupraktikum in Kiel gefiel ihm. Unter den Werftarbeitern fühlte sich Christian wohl. Von dort wechselte er zur Bundeswehr. Dann aber entschied er sich, das Abitur nachzuholen, auf dem Collegium Marianum in Neuss. Christian entdeckte seine Liebe – die Gemeinschaft der Jesuiten. Denen trat er bei, studierte Theologie und Philosophie und wurde Priester.

Die Achtundsechziger brachten eine Aufbruchszeit, auch bei den Jesuiten. Das Zweite Vatikanum ließ Hoffnungen keimen. Er ging nach Frankreich, dort gab es die Bewegung der Arbeiterpriester. Sie entstand in der Zeit der Resistance, als Priester sich solidarisch und unerkannt an die Seite der Zwangsarbeiter stellten. Eine Konsequenz für Christian war es, den Kriegsdienst nun doch noch zu verweigern. Er ließ sich von der Theologie der Befreiung inspirieren: der Ansatz, die Menschen nicht zu belehren, sondern ihnen zuzuhören, war genau das, was er wollte. Wie gestaltet sich euer Leben? Woran liegt es, dass euch die gute Botschaft von Jesus Christus nicht erreicht? Welche Fragen, welche Sorgen bewegen euch? Was kann ich von euch lernen?

Und Christian hat gelernt. Zunächst an der Werkbank. Er wurde in Frankreich Dreher, später sogar Ausbilder an einer hochmodernen Maschine aus Deutschland. Doch er war auch Gewerkschafter, sympathisierte mit den französischen Kommunisten. Die vertraten für Christian die Interessen der Arbeiterschaft am konsequentesten.

Die Zeit in Frankreich hat Christian Herwartz geprägt und blieb ihm immer präsent. Nach seiner Priesterweihe 1976 zog er nach Berlin, begann dort als Lagerarbeiter und Dreher. Er wohnte nicht in der komfortablen Unterkunft der Jesuiten am Lietzensee, sondern im Arbeiterwohnheim, zusammen mit vielen ausländischen Arbeitnehmern. Man kannte Christian im Betrieb als engagierten Gewerkschafter, nur wenige wussten, dass er ein Studierter war. Einige, die es wussten, misstrauten ihm. Für sie war er nicht als ein „Priester“, der sich im Blaumann versteckt. Manche Ordensbrüder hingegen sahen in ihm einen „Kommunisten“ unter der Soutane.

Als es bei einer Protestaktion vor den Werkstoren mal wieder zur Sache ging, die Polizei sich einem türkischen Kollegen gegenüber fremdenfeindlich äußerte: da ging Christian dazwischen. Wahrscheinlich auch mit Leidenschaft und Lautstärke. Es gab eine Anzeige, Christian Herwartz wurde verurteilt zu einer Geldstrafe. Er zahlte nicht. Das Angebot der Gewerkschaft, die Schuld zu übernehmen, nahm er nicht an. Es folgten zwei Wochen Gefängnis. Christian lachte, als er sich von den türkischen Freunden vor dem Gefängnistor verabschiedete. Sie verliehen ihm am Eingang des Tores den Titel „Löwe der Gerechtigkeit“.

 Hier gehörte er jetzt hin, zu den Ausgestoßenen, den Knackis. Christian Herwartz deshalb für einen Menschen zu halten, der das Martyrium suchte, wäre allerdings falsch. Er fand nur, dass man sich bei Anfeindungen nicht wegducken sollte. Und dass ihm sein Weg in den Knast eine Möglichkeit bot: eine fremde Welt kennenzulernen, die er sonst nur aus Erzählungen oder durch Besuche kannte.

In den achtziger Jahren suchte Christian Herwartz die Nähe zu den Angehörigen der RAF-Gefangenen. Mit ihnen diskutierte er die Haftbedingungen und setzte sich für eine menschliche Behandlung ein. Er erfuhr von Übergriffen auf vermeintliche Sympathisanten. Und sah doch eigentlich nur Familienangehörige, die den Terror zwar verurteilten, ihre Lieben aber nicht im Stich lassen wollten. Auch mit diesem Engagement machte er sich nicht nur Freunde innerhalb seines Ordens. Es gab da ja auch solche, die aus Familien kamen, die unter Morddrohung der RAF standen.

In Berlin-Kreuzberg kannte man Christian Herwartz durch seine Wohngemeinschaft über dem „Trinkteufel“ in der Naunynstraße. Viele Kreuzberger saßen irgendwann schon mal an dem großen Tisch zum Samstagsfrühstück. Da kann kommen wer mag, meist sind es ein gutes Dutzend, gelegentlich doppelt so viele. Und tatsächlich treffen sich dort Hinz und Kunz, von der Professorin bis zum Freigänger aus Tegel. Unten ist eine Klingel. Eine Gegensprechanlage gibt es nicht. Man klingelt, es surrt – komm rein, setz dich, Tee oder Kaffee? Das war´s, du bist da, du bist willkommen. Es gilt als unanständig zu fragen woher und wohin und warum. Du kannst erzählen und du darfst schweigen. Die meisten schweigen, jedenfalls über sich. Ansonsten wird viel geredet, laut gestritten, manchmal gesungen, geplant und verabredet. Wer keine Bleibe hat, kann nach einem Bett fragen. Ist eines frei, kannst du bleiben, wenn nicht, wir rücken zusammen, wird schon gehen. Siebzig Nationalitäten sind im Laufe der Jahre durch die WG gezogen, so hat Christian einmal überschlagen. Illegale, Halblegale, Untergetauchte, Abgedrehte. Eine Zeitlang stand häufig die Polizei vor der Tür und suchte nach Verdächtigen aus der Besetzerszene. Später nach Leuten, die sich der Abschiebung entziehen wollten. Man wusste ja, wie es hier zuging. Das hat nachgelassen in den letzten Jahren.

Wenn die Besucherinnen und Besucher von dieser speziellen Atmosphäre erzählen: sie schwärmen von der Offenheit und Freiheit, die in diesen abgewohnten Räumen herrscht. Das ist keine Sozialeinrichtung. Hier wird nicht von oben herab geholfen. Hier wird einfach nur gelebt. So als wäre die Menschheit eine Familie, in der jede und jeder ein Recht hat, dazuzugehören. Es darf nichts Wertvolles in der Wohnung sein, sonst müsste man ja aufpassen, kontrollieren. Das will Christian nicht. Was geklaut wird, war zu wertvoll oder einfach zu viel. Geradezu allergisch reagierte Christian, wenn man ihn zu einem Sozialpastor stempeln wollte. Schon mit der Zuschreibung als Helfer erhebt man sich über den anderen. Er wollte zusammenleben, Mitmensch sein, nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Etwas Urchristliches aber brachte er mit: das Bewusstsein, dass es sich bei jeder Begegnung mit einem Menschen um das Geschenk einer Begegnung mit Gott handelt. Mit jedem Hungernden, Dürstenden, Nackten, Wohnungslosen, der an deine Tür klopft, meldet sich Christus bei dir und gibt dir die Chance, sein Gastgeber zu sein.

Bei einem Samstagsfrühstück begann man die Knastjahre zusammenzuzählen, die zufällig am Tisch versammelt sind und kam auf sechzig Jahre. Es folgte eine intensive Diskussion was für Einzel-, Doppel- und Vierbettzellen spricht.

Wenn Christian von solchen Begegnungen erzählte, dann spürte man: das war kein Trick, um zu guten Taten zu ermuntern oder Bescheidenheit zu signalisieren. Sondern eine Erfahrung, die sich immer wieder bestätigt: Gott begegnet überall, auf der Straße, in der Wohngemeinschaft, im Betrieb, im Mitmenschen, jeden Tag.

Aus dieser Erfahrung heraus hat Christian Herwartz sein Konzept der „Exerzitien auf der Straße“ entwickelt und damit den geistlichen Übungen seines Ordens eine neue Gestalt gegeben. Dazu lud er Menschen ein, sich für einige Tage aus ihren gewohnten Bezügen zu befreien und das unkalkulierbare Leben der Straße zu führen. Als Quartier bot sich im Sommer eine unterbelegte Notunterkunft für Obdachlose an. Dort begann er die Übungen. Er las die Geschichte vom brennenden Dornbusch, in dem Mose eine Gotteserscheinung sah.

So läuft das, erklärte er. Schaut hin, wo es für euch brennt und dann zieht die Schuhe aus, das ist heiliger Boden, und nehmt wahr, was passiert. Die zweite Regieanweisung entlehnte er dem Lukasevangelium. Dort schickt Jesus die Jünger hinaus in die Welt. Zieht ohne Geld los, es gibt keine Sicherheit, nehmt keine Tasche mit, bittet wenn ihr etwas braucht, habt keinen Stock dabei, macht euch wehrlos, zieht die Schuhe aus, so dass ihr den Boden spürt, auf dem ihr geht und grüßt die Leute nicht, das heißt, versucht es ohne die eingeübten Konventionen. Du musst nicht alles befolgen, schau, was dich herausfordert und: lass dich überraschen!

Am Abend kommen die Straßenpilger zusammen und werten aus, was sie erlebt haben. Es ist erstaunlich, was diese kleine Übung in Achtsamkeit bei den meisten bewirkt. Gern lud er Leute aus seiner WG dazu ein. Fachleute in Straßenangelegenheiten. Ein Priester beispielsweise erzählte, wie er sich bei der Armenspeisung versorgte. Es gab Tüten mit einer Stulle, einem Saft und einem Schokoriegel. Der allerdings war seit zwei Jahren abgelaufen und so ließ er ihn unbemerkt verschwinden. Als sein Tischnachbar bemerkte, dass in der Tüte des Kollegen keine Süßigkeit war, teilte er seinen Riegel und war etwas enttäuscht, dass der die Gabe ablehnte. Der Mann von der Straße, der diesen Bericht hörte, schaltete sich ein und bemerkte etwas sarkastisch: weißt du eigentlich, dass du dem Mann die Kommunion verweigert hast?

Die Aufdeckung der Missbrauchsfälle am Canisiuskolleg erschüttert ihn, wie alle Brüder der Berliner Ordensgemeinschaft. Er hätte sich abwenden können. Euer Problem, ich gehörte nie dazu. Ich war extern, ich war in Kreuzberg. Doch so einfach machte er es sich nicht. Es ging bei all dem ja nicht allein um fehlgeleitete Sexualität, es ging um Machtmissbrauch. Und den gibt es überall. Die Anfrage traf also auch ihn. Die Frage der Gewalt und Gewaltvermeidung war immer wieder Thema, wenn sich die WG über dem ‚Trinkteufel‘ zusammenfand. Hat er da immer richtig reagiert? Hat er zu stark agiert oder zu wenig? Das trieb ihn um. In dieser Zeit schätzte er den engen Austausch mit Brüdern aus dem Orden, um sich abzugleichen. Und man schätzte ihn als Stimme von außen, um den Prozess im Orden voranzubringen.

Vor Jahren schon traf Christian die Diagnose Parkinson. Eine schleichende Krankheit, lange konnte er mit den Einschränkungen relativ gut leben. Auch sie: nur ein Aspekt der Lebenswirklichkeit. Es geht eben nicht darum, sich als Helfer zu betätigen. Hilflosigkeit zuzulassen, das ist die schwerste geistliche Übung. Christian legte die WG in der Naunynstraße in die Hände seiner Nachfolgerin und zog sich in die Betreuung des Jesuitenordens zurück. Ging zu denen, die sein Tun über Jahre mit einigem Misstrauen beobachtet hatten und denen er oft mit gehöriger Arroganz begegnet war. Auch dasE eine durchaus geistliche Übung, für beide Seiten.

Wäre er auf der Straße und ohne Papiere gestorben, man hätte wohl zunächst in der Obdachlosenszene recherchiert. Alter Mann, langer weißer Bart, tätowiert am ganzen Körper. Über die Tattoos wäre man ihm dann vielleicht auf die Spur gekommen, lauter religiöse Motive. Offenbar ein frommer Mann, der da gestorben ist.

Das hätte Christian gefallen, darüber hätte er herzhaft gelacht.

Dieser Nachruf ist vom Deutschlandfunk am 1. Mai gesendet worden. Man kann ihn  hier (knapp 15 Minuten) nachhören.

Am 9. Juni gab es im Rahmen der Morgenandacht im Deutschlandfunk einen Beitrag (4 Minuten): Wenn die Tür besonders weit offen steht  über unser offenes Samstagsfrühstück. 

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Nachruf im Tagesspiegel: Christian Herwartz (SJ)

Vor gut drei Wochen hat uns Jörg besucht. Viele Jahre war er Pfarrer der evangelischen Emmauskirche in Kreuzberg und mit Christian Herwartz immer wieder in diversen Anliegen verbunden. Jörg schreibt schon viele Jahre Nachrufe für den Tagesspiegel über ganz normale Berliner. Wir haben lang mit ihm gesprochen. Nun ist gestern – also im Tagesspiegel vom 10. April – eine sehr gekürzte Fassung erschienen und zwei Wochen später auch online – und zwar hier  

Nachruf Christian Herwartz im Tagesspiegel vom 10. April 2022

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Die vollständige Fassung des Nachrufs wird Anfang Mai in einem anderen Medium publiziert. Wir dürfen sie dann auf dem Blog übernehmen. Dieser ausführliche Nachruf wird dann unter dem Headerbild in der Spalte „Seiten“ abrufbar sein, aus presse- und medienrechtlichen Gründen nach der Erstveröffentlichung. Anhören kann man den Beitrag unter dem Titel „Christian Herwartz – ein Leben jenseits der Komfortzone“ beim Deutschlandfunk und zwar hier.

Am 9. Juni 2022 gab es im Rahmen der Morgenandacht einen Beitrag (4 Minuten) über unser offenes Samstagsfrühstück

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Nachgerufen: Christian Herwartz (SJ) – Arbeiterpriester und Entdecker der Exerzitien auf der Straße

 P. Christian Herwartz SJ ist am Sonntag den 20. Februar in Berlin nach verstorben. Nach einer zunächst gut verlaufenen Darmoperation erlag er heute deren Folgen im Krankenhaus Havelhöhe in Berlin-Kladow.

Leben in die Offenheit Gottes hinein …

Letztes Jahr war Christian zu Beginn der Fastenzeit in Magdeburg eingeladen über die Exerzitien auf der Straße, die Fastenzeit und Ostern zu sprechen. Da eine Fahrt nach Magdeburg wegen Corona nicht in Frage kam, sind die Mitarbeitenden des pastoralen Zentrums zu ihm nach Kladow gekommen  und haben das Gespräch aufgezeichnet. Es ist bei youtube zu sehen und zwar hier

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Abschied von Peter Salzmann (Jesus-Peter)

Er war eine feste Größe im alten West-Berlin. Auf dem Ku-Damm oder in öffentlichen Verkehrsmitteln war er unterwegs mit seinem Koffer oder einem Schild, das er an einer Stange trug mit der Aufschrift: „Frag mich nach Jesus“. Er war ein ruhiger und freundlicher Zeitgenosse und unglaublich hilfsbereit. Besonders in Projekten mit armen Menschen hat er sich engagiert, er, der selber einen sehr bescheidenen Lebensstil praktizierte.

Er war keiner von den Missionaren, die andere drängen oder mit der Hölle einschüchtern, sondern einer, der den Menschen zuhörte. Ein paar Stunden war er jeden Tag mit seinem Koffer unterwegs. Mehr als zwanzig Jahre habe ich ihn nicht gesehen. Und dann begegnete er mir wieder hier in der WG, genauer über unseren ehemals ältesten Mitbewohner, Bruder Christian.

Der machte als Jesuit immer über den Jahreswechsel Exerzitien in einem Kloster in der Nähe von Dresden. Als er vor vier Jahren aus gesundheitlichen Gründen sich nicht mehr allein auf den Weg machen konnte, fragte ich ihn, von wem er sich vorstellen könnte begleitet zu werden. Und da fiel der Name von Peter Salzmann. Der stimmte sofort zu und hat dann auch im darauf folgenden Jahr Bruder Christian sehr liebevoll begleitet und so die Exerzitien und den Aufenthalt bei den Nazarethschwestern ermöglicht, die ihn just für einen Jesuiten hielten und mich beim nächsten Kontakt fragten, wie es Bruder Salzmann geht.

Ein Artikel über Peter und seinene Aktivitäten ist  hier.

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Abschied von Ricarda

Diese Karte hat Ricarda selber für ihre Todesanzeige ausgesucht. Sie ist überschrieben mit dem ersten Vers aus Psalm 21:

Der Herr ist mein Hirte
mir wird nichts fehlen

 

Ricarda ist am 6. Juli nach einer langen Krebserkrankung gestorben. Sie war oft in Sankt Michael bei den Exerzitien im Alltag, die im Advent und während der Passionszeit angeboten wurden, dabei. 

Ricarda hat unsere Wohngemeinschaft vor vielen Jahren im Rahmen ihres Engagements für die Communauté de Taizé kennengelernt. 

Sie hat uns gelegentlich beim Samstagsfrühstück und auch sonst in der Wohngemeinschaft besucht. Wir hatten intensive Begegnungen mit ihr. Immer wieder hat sie uns ganz praktisch und mit ihrem Wissen über Gesundheits- und andere Fragen unterstützt. Sie hatte ein ganz weites Herz und ihre Fröhlichkeit, selbst in der Krankheitszeit und mit Schmerzen, war berührend. Wir vermissen sie sehr.

Sie hat viele unterschiedliche Menschen gekannt und zusammen gebracht. Das wurde auch auf ihrer Beerdigung und dem Nachtreffen sichtbar.

Ricarda Praetorius 8.8.1950 – 6.7.2021

weitere Nachrufe von Freunden und ehemaligen MitbewohnerINNEn der Wohngemeinschaft

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Tschau-i-i-i Werner

Gestern ist Werner Jäger, ein langjähriger Freund unserer Gemeinschaft, an den Folgen seiner Krebserkrankung verstorben. Mehr als zehn Jahre hat er uns besucht, seit dem Tod seiner Lebensgefährtin Ingrid zwei bis drei Mal die Woche. 

Werner war seine eigene private Tafel-Organisation. Er hat Lebensmittel, die abgelaufen waren,  von Geschäften in seiner Umgebung abgeholt und verteilt. Sich selber nannte er „Weitergeber – Ich bin Werner, der Weitergeber. Ich brauche ja nur ganz wenig. Neunzig Prozent gebe ich weiter“. 

Sein Blaumann war sein Markenzeichen. Nur bei der Beerdigung seiner Lebensgefährtin Ingrid trug er einen Anzug. Er begrüßte uns immer mit „hallö-öchen“ (langes Ö) und verabschiedete sich mit einem „Tschau-i-i) (ganz langes I). Wenn irgendetwas besonders wichtig war und besonders unterstrichen werden sollte, wurde ein „HÖMMA“ eingeschoben, was besonders unsere migrantischen Mitbewohner irritierte bis sie herausfanden, daß es „hör mal“ bedeutete. 

Die letzten drei Wochen nach seinem Krankenhausaufenthalt konnte er im Lazarus-Hospiz verbringen. Dort hat er sich sehr wohl und gut aufgehoben gefühlt. Wir sind dankbar für diese Zeit und wissen es zu schätzen, daß dort – auch in Corona-Zeiten – rund um die Uhr Besuche möglich sind. 

Mehr zu Werner: W wie Werner oder Weitergeber
Kommunitätsabend über und mit Werner
Internetseite vom  Lazarus-Hospiz. Auf dem Foto sieht man das Zimmer von Werner.
Artikel über das Lazarus-Hospiz in der Berliner Morgenpost vom 11.5.2021: Im Hospiz muss am Ende niemand allein sein

Hier einige visuelle Eindrücke vom Lazarus-Hospiz (Video 3 Minuten).

weitere Nachrufe von ehemaligen Mitbewohnern und Freunden

 

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Rudi (Rudolf) Fröhlich (1949 – 2021)

Vorgestern stand Bernd vor der Tür. Viele Jahre – solange Rudi in Berlin lebte, waren die beiden mit ihren Hunden gemeinsam unterwegs. Bernd hat uns erzählt, daß Rudi Mitte Januar verstorben ist. Zu seinen Berliner Zeiten hat Rudi uns mehrmals wöchentlich besucht. Meistens war sein Lieblingshund Dackel Benny dabei, manchmal auch Rottweiler Blacky. Rudi hatte eine große Liebe zu Tieren. In seiner Wohnung hielt er immer zwei oder drei Hunde, Vögel (Papageien, Wellensittiche und Kanarienvögel) sowie Kaninchen, Mäuse, Meerschweinchen …

Er hatte immer viel aus seinem bewegten Leben zu erzählen. Letzten Sommer hat er einige Wochen bei uns mitgelebt und war gesundheitlich schon sehr angeschlagen. Rudi war immer sehr direkt und hatte einen ganz eigenen Humor. 

Einmal bat er mich, ihn und seinen Hund Blacky zum Lebensmitteldiscounter zu begleiten um Hundefutter zu kaufen. Er konnte Blacky nicht allein vor dem Laden lassen, weil Blacky immer in Dauergebell ausbrach wenn Rudi nicht in Sichtweite war und keine andere Person sich in dieser Zeit um ihn kümmerte. So gingen wir über den Oranienplatz. Dort zog es Blacky zu einer Hündin, die mit einem schwulen Paar unterwegs war, das sich gerade in den Armen lag. Rudi zum Hund: „Blacky, laß die Dame in Ruh. Die hat schon einen Herrn. Was sag ich: Die hat zwei Herrn“

 

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ein letzter Gruß

Beim vorletzten Kommunitätsabend wartete eine Überraschung auf uns: Alle, die Rockn Rollf noch als MitbewohnerINNEN gekannt hat, bekamen eine CD mit fünf Liedern, die er im letzten Herbst mit Musikerfreunden aufgenommen hat.


Drei der Lieder gibt es auch in älteren Fassungen auf You.tube:

Roll away the Pain (Video beginnt in unserem Treppenhaus)   
Den Song hat er unserer WG gewidmet 

Horses and Hares (Song)

Good bye Old Friend (Song)

Horses and Hares (Konzert im Juli 2020)

Und einige Poster von Rockn Rollf als Zeichner / Karrikaturist für unsere WG sind: hier  oder hier  oder hier  oder  hier oder hier  oder hier.

Und hier Facepainting für einen glücklichen Löwen:

Rockn Rollf wird heute um 14.00 h in der Nähe von Potsdam beigesetzt. Wir werden ihn nicht vergessen. 

Weitere Nachrufe von Ex-Mitbewohner*innen und Freunden unserer WG sind   

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Gefunden … Fotos von Bine und Nadine Eggert

Nachdem wir Anfang der Woche die Ausräumaktion abgeschlossen haben, waren wir ziemlich geschafft. Viele zurückgelassene Kisten, Koffer und andere Behältnisse von ehemaligen Mitbewohnern waren jahre- ja teilweise jahrzehntelang nicht abgeholt worden. Auch verschiedene vermisste Gegenstände haben sich wiedergefunden: Bücher, ein Radio-CD-Player, Fotoalben (Priesterweihe von Christian), unsere Advents- und Weihnachtsliederhefte vom letzten Jahr, diverse Haushaltsgegenstände und Fotos von Sabine (Bine) und Nadine Eggert. Einige Fotos hatten wir schon – andere sind jetzt noch gefunden worden.

Nadine Eggert

Dahinter steckt folgende Geschichte Sabine (genannt Bine) wohnte in Kreuzberg und hatte sechs Jahre lang Kontakt zur WG. Sie war chronisch krank. Deshalb ist ihre kleine Tochter Nadine bei Sabines Eltern aufgewachsen. Sabine hat sich gewünscht, bei uns in der Wohnge-meinschaft sterben zu dürfen. Dieser Wunsch konnte ihr erfüllt werden. So ist es dann auch geschehen. Bine (geb. am 17.09.1962) ist am 5. Juni 1996 in der Naunynstraße verstorben. Ihre Tochter Nadine war damals fünf Jahre alt. Der Kontakt von Nadine zu ihrer Mutter war sehr selten. Vielleicht erinnert sie sich noch an den Kater Tarzan.  Wir würden Nadine, die heute 29 Jahre alt ist, gern die Fotos geben. Allerdings haben die bisherigen Versuche Nadine zu finden keinen Erfolg gehabt (telefonbuch.de, Kontaktaufnahme über Fxxxbook mit den Frauen dieses Namens…). Es gibt noch einige Menschen, die Bine erlebt haben und von ihr erzählen können.

Nun unsere Bitte an diejenigen, die hier mitlesen und in sozialen Netzwerken unterwegs sind. Wir würden uns freuen, wenn Ihr diesen Blogeintrag teilen würdet. Vielleicht finden wir Nadine auf diese Weise.

Zum Weiterlesen:
Ausgeräumt …
Mehr von (ehemaligen) Mitbewohner*innen
Neugestaltung unserer Wohnzimmer-Gedenkwand
weitere Nachrufe auf Ex-Bewohner*innen und Freunde unserer WG

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