#WmdedgT Juni 2023: völlig unspektakulär

#WmdedgT fragt Frau Brüllen immer am 5. eines Monats und lädt zum Tagebuchbloggen ein: Was machst du eigentlich den ganzen Tag? Voilà:

Ein ganz unspektakulärer Montag. Um 8.00 Uhr war Frühstück in kleiner Runde. Wir unterhielten uns mit unserem neuen Mitbewohner, welche Möglichkeiten es gibt, deutsch zu lernen und sein Leben während der Ph.D.-Arbeit zu finanzieren. 

Danach überlegte ein anderer Bewohner, wie er sich auf das Treffen mit seinem Vermieter vorbereiten kann.

Nach elf Uhr kam der ersehnte Handwerker u die Waschmaschine, die in den letzten beiden Wochen kaputt war, zu reparieren. Letzte Woche war das falsche Ersatzteil geliefert worden. Nach einer halben Stunde war alles paletti und die Waschmaschine läuft und läuft …

Zum Mittagessen gab es dann Soulfood – für die eine Griesnockerlsuppe – für den anderen Nudelpfanne mit Käse. Dabei mit dem mitessenden Mitbewohner eine Idee für die Weiterführung des Osterbrunnens nächstes Jahr ausgetauscht.

Ich: Wie findest Du Eier mit Länderflaggen bemalt.
Er: (unterbricht): Du meinst Flaggen von allen Ländern, aus denen Menschen hier gewohnt haben. Das sind mindestens siebzig Länder.
Ich: Nein, ich dachte eher Länderflaggen und dann in den jeweiligen Landessprachen „frohe Ostern“ draufschreiben.
Er: Wir können ja beides machen.

Einkauf im Drogeriemarkt: Waschpulver, Toilettenpapier und Handseife.

Eine ehemalige Mitbewohnerin holt Post ab.

Nochmal eine Ladung Wäsche durchlaufen lassen.

Zwischendurch eMails erledigen, Blogs lesen, Anrufe beantworten …

Auf der Suche nach Hollunderblüten im öffentlichen Bücherschrank einen Gedichtband von Mascha Kaléko gefunden. Heute kein Hollundergelee oder Hollundersirup stattdessen Gedichte.

Ein anderer Ex-Mitbewohner bringt wie immer – montags, mittwochs und freitags – eine Kiste mit Brot, Brötchen und Kuchen vom türkischen Bäcker einige Straßen weiter. 

Abends nochmal Griesnockerl für mich – für andere anderes.

Der Triebfahrzeugführer für das europäische Schienennetz in Ausbildung bricht auf zum Nachdienst.. 

Auf dem Küchentisch finde ich einen riesigen Korb mit Hollunderblüten vor, die der nette Nachbar vorbei gebracht hat als ich mit einer Wohngemeinschaftsfreundin aus der Schweiz telefoniert habe, die uns im Juli besuchen wird. Der Hollunder wird zu Hollunder-Apfel-Gelee und Sirup verarbeitet.

Zum Weiterlesen:
#WmdedgT Juni 2022: Schawuot und Pfingsten

Bei Frau Brüllen gibt es weitere Erzählungen vom 5. Juni 2023 – sogar als 10jähriges Jubiläum. Glückwunsch.

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#WmdedgT Mai 2023: frühlingshaft blühend mit Müllproblem

Heute ist wieder der 5. eines Monats, und da lädt die Nachbarbloggerin ein zur Förderung des Tagebuchbloggens. Das nennt sich #WmdedgT (Was machst Du eigentlich den ganzen Tag). Wer mag, erzählt vom eigenen Tagesablauf und verlinkt dann bei ihr. So werden Tagesabläufe aus ganz unterschiedlichen Lebenssituationen und Orten zusammengetragen. 

Bildausschnitt: Wohnzimmertisch wird zum Frühstück gedeckt

Hallo – heute zum Tagebuchbloggen bin wieder mal ich dran – der Tisch im Wohnzimmer von der Naunyn-WG in Kreuzberg. Ich erzähle, was ich hier im Zimmer und von nebenan den Tag über mitbekomme. Heute war schon einiges um Mitternacht und auch davor bei uns los: 

Weil gestern um 21.00 Uhr noch Besuch von einer 15köpfigen Journalistengruppe aus Printmedien und von verschiedenen Fernsehsendern kam, die in Berlin eine Fortbildung zu „Religion in der Stadt“ hatte, mußte das Wohnzimmer noch in frühstücksfähigen Zustand versetzt werden.

Dann war ich total platt, daß um Mitternacht die Central Synagogue in New York auf dem Computerbildschirm erschien. Dort ist es dann sechs Uhr abends, aber trotzdem: Für Schabbat ist es ein Tag zu früh. Ich habe mitbekommen, daß es im amerikanischen Reformjudentum einen neuen Feiertag gibt: Jom haZedek heißt der:. Es geht um den Einsatz für soziale Gerechtigkeit. Der G-ttesdienst dazu war sehr interessant und hat entfaltet, in welchen Bereichen sich die Synagoge sich schon einsetzt und was sie sonst noch vorhaben in diesem Bereich. Gleichzeitig war ein anderer Mitbewohner von der Fraktion Eule auch noch am PC zugange. 

Um halb acht ging es dann mit den Frühstücksvorbereitungen los. Heute war nur eine kleine Gruppe am Frühstückstisch, aber der Chefkoch war dabei. Er hat diese Woche Urlaub. Bei den Gesprächen ging es um merkwürdige Verhaltensweisen von Menschen in der U-Bahn. Da ist einiges los im Berliner Untergrund. Außerdem wurde über den Gemeindeausflug in den Spreewald gesprochen, der morgen stattfindet und an dem drei von der Gemeinschaft teilnehmen.

Dafür wurde nach dem Frühstück dann Hefeteig für Bärlauch-Schnecken angesetzt und natürlich – weil Freitag ist – in einer anderen Schüssel Hefeteig für die beiden Schabbatbrote mit Sonnenblumenöl und Eiern.

Die Waschmaschine wurde befüllt, Geschirr abgespült und einiges im Haushalt gemacht. Der Chefkoch braucht eine Recherche für einen neuen Bio-Supermarkt. Außerdem schickt eine Bewohnerin Geburtstagseinladungen raus. Danach ist es Zeit, die Bärlauch-Schnecken zu formen, mit Frischkäse zu bestreichen und zu backen.

Müllproblem

 Ziemlich regelmäßig haben wir ein Müllproblem. Weil seit drei Wochen der Müll nicht abgeholt worden ist, quellen die Mülltonnen über. Einige Hausbewohner haben schon Säcke neben den Tonnen abgestellt. Wenn die Müllwerker nebenan leeren und auf unsere Mülltonnen aufmerksam gemacht werden, dann sagen sie, wir seien nicht dran. Der Chefkoch dokumentiert den Stand der Dinge fotografisch. Danach wird die Hausverwaltung per Mail kontaktiert, die sofort tätig wird – schreibt sie zurück.

Weil der Chefkoch Urlaub hat, wird es am Herd etwas eng. Er bereitet für das Mittagessen ein schnelles Fischgericht mit Zwiebeln, roten Paprika und getrockneten Tomaten zu. Danach gibt es den Lieblings-Kardamom-Tee. Superlecker.

Am späten Nachmittag wurde noch Einiges für das Wochenende erledigt wie Einkäufe. Einige haben für heute Abend Verabredungen. Der Chefkoch kocht für eine Freundin auswärts. Auch andere BewohnerINNEN sind unterwegs. In der Synagoge in unserer Nähe findet ein besonderer Gottesdienst statt. Heute Abend wird es ruhig hier sein. Wahrscheinlich wird ganz spät noch der Frühstückstisch für das Samstagsfrühstück und die Gäste vorbereitet.  Ob heute um Mitternacht der Computer für den Schabbatgottesdienst der Central Synagogue hochgefahren wird? Eher nicht. Aber genau kann man das erst kurz vor Mitternacht wissen.. 

Allen ein erholsames und schönes Frühlingswochenende.

Blogeinträge von anderen BloggerINNEN zur #’WmdedgT-Aktion sind hier verlinkt.

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#WmdedgT April 2023 – Festvorbereitungen Pessach und Ostern

Wie immer am 5. eines Monats fragt die Blognachbarin in die Runde, was wir so den ganzen Tag tun. Es ist eine Aktion zur Förderung des Tagebuchbloggens und jede/r kann den eigenen Blogeintrag bei Frau Brüllen verlinken. Hier in der WG erzählt der Wohnzimmertisch, was in seinem Umfeld abläuft.

Hallo an alle Mitlesenden, heute bin ich wieder mal dran, weil der 5. des Monats April ist. Die Feiertage stehen vor der Tür, und damit auch jede Menge Vorbereitungen. Deshalb wird der Bericht heute auch nur sehr kurz und nachträglich bei Frau Brüllen verlinkt. Meine Schreibassistenz feiert nämlich Pessach außerhalb und wird deshalb die WG am frühen Nachmittag verlassen.  

Die Morgenroutine war – wie meistens unter der Woche – unauffällig: Der Kachelofen wird geheizt und gegen halb acht Uhr beginnen dann die Frühstücksvorbereitungen. Wer im Haus ist und nachts nicht draußen gearbeitet hat, findet sich – außer im Krankheitsfall – um 8.00 h zum Frühstück bei mir ein. Heute waren wir zahlenmäßig etwas reduziert, weil einige WG-Bewohner leicht angeschlagen sind. Beim Frühstück ging es um Schwierigkeiten beim Schuheinkauf und den Vorbereitungen, die noch für den Osterbrunnen nötig sind.

Im Bad wurden die letzten 150 Eier mit Sprühlack lackiert, damit sie auch wechselnde Wetterverhältnisse am Brunnen vertragen. Insgesamt haben wir jetzt so um die 450 Euer. Im Vergleich zum Weltrekordbrunnen in Pottenstein mit über 11 300 Eiern fangen wir klein an. Es wurden Fotos von bei dieser letzten Sprühaktion fertig gestellten Eiern gemacht:

Letzte Sprühaktion

Im Wohnzimmer haben einige Bewohner die ersten Eier auf Draht aufgefädelt mit Moosgummi dazwischen, damit die Eier nicht aneinanderstoßen und sich beschädigen.  Währenddessen hat unsere Freundin Roswitha angerufen. Sie braucht heute Nachmittag jemand, der ihr eine Stunde hilft. Es fand sich auch jemand, der Zeit hat. Zwei Nachbarn, die sich bei uns trafen, verabredeten sich zu einem Spaziergang und waren ganz angetan davon. Das war etwas besonderes, weil beide zu einem Thema, das sie sehr persönlich betrifft, höchst kontroverse Meinungen haben.

Zwischendurch wurde abgespült und die Küche aufgeräumt. Eine Nachbarin fragt, ob ein Bewohner Zeit hat, ihr mit einer Küchenarmatur, die verstopft ist, zu helfen. Ein anderer Bewohner aus einem sehr weit entfernten Land dreht für seine Familie ein Video von den Eiern im Badezimmer.

In der Küche wird Charosset für Pessach vorbereitet. Das ist ein Mus aus geriebenen Äpfeln, Nüssen, Honig, Zimt und Traubensaft oder Wein. Es erinnert an den Lehm bei der Zwangsarbeit der Israeliten in Ägypten. Jede Familie hat ihr eigenes Rezept. 

Damit an den Feiertagen unterschiedliche Interessen zum Zug kommen können, hängen an einer Wohnzimmertür Pläne aus, wo jede/r eintragen kann, was er/sie mit anderen machen möchte. Am  Samstagnachmittag soll der Osterbrunnen dekoriert werden. Am Samstagabend wird Ariane in unserem Wohnzimmer eine Lesung machen. Sie hat das Buch von Jarvis Jay Masters, der seit mehr als 30 Jahren im Todestrakt von St. Quentin sitzt, übersetzt. Sie wird aus dem Buch vorlesen und vom telefonischen Kontakt mit ihm erzählen und was die Übersetzung seines Buches „die Geburt der Freiheit – wie die Meditation im Todestrakt mein Herz geöffnet hat“ .bei ihr ausgelöst hat. Wir finden, das paßt gut zum Thema des Karsamstag.

Zwischendurch noch verschiedener Kleinkram: Eine neue Absprache, wann eines der Zimmer gestrichen wird, einige Anrufe und dann wird es ziemlich ruhig hier …

Allen, die hier mitlesen, schöne Feiertage.

Weitere Beiträge, wie BloggerINNEN ihren Tag verbracht haben, gibt es bei Frau Brüllen (nach unten durchscrollen).

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#WmdedgT März 2023: winterlicher Sonntag

Schon wieder der 5. eines Kalendermonats und wie im Februar ein Sonntag. Die Nachbarbloggerin ruft zum Tagebuchbloggen auf mit der Frage: Was machst Du eigentlich den ganzen Tag kurz #WmdedgT.

Weil hier das virtuelle Wohnzimmer einer internationalen, interkulturellen und interreligiösen WG ist, bekommt unser Wohnzimmertisch bei dieser Gelegenheit das Wort um seine Beobachtungen zu schildern. Das gibt dann – hoffentlich – einen breiten Querschnitt.

Heute bin ich wieder mal dran mit erzählen. Sehr früh wurde der Kachelofen neben mir gefüttert. Das war auch nötig, denn es war ganz schön kühl und klamm. 

9.00 Uhr ist Sonntagsfrühstückszeit. Als besonderes Highlight gab es Früchtequark und Rührei. Der nicht unwillkommene Nebeneffekt für das Osterbrunnenprojekt waren zehn ausgeblasene Eier. Gesprächsthemen waren Preissteigerungen zum Beispiel beim Mittagstisch im Heile Haus, einem Gesundheitszentrum aus der Hausbesetzerzeit in unserer Nachbarschaft. Am ersten Sonntag im Monat ist in Berlin „Museumssonntag“. In viele Museen kommt man umsonst rein. Eine Bewohnerin erzählte von der Sonderausstellung „Wer war Fritz Kittel“ im Museum für Verkehr und Technik. Fritz Kittel war Arbeiter bei der Reichsbahn, der zwei Jüdinnen versteckte und ihnen so das Leben rettete. Die Ausstellung nimmt sowohl die Lebensläufe von Fritz Kittel und der beiden Jüdinnen als auch den Umgang der Reichsbahn mit jüdischen Mitarbeitenden in den Blick. (Artikel in der taz).

Ein Mitbewohner arbeitet seit kurzem bei einem Kirchencafe für arme Menschen mit und wollte heute dort den Gottesdienst besuchen und die Gemeinde kennenlernen. Die anderen, die einen Gottesdienst wollten, blieben lieber zuhause und schauten einen Gottesdienst bei youtube an, nämlich den in Nordstrand-Odenbüll. Den mag der Chefkoch besonders gern, weil so viele unterschiedliche Menschen aktiv mitwirken – auch viele Kinder. und die Predigten kurz und gut verständlich sind. 

Dann ging es ganz gemütlich zu. Bis um halb drei war es ziemlich ruhig, dann wurde das Kaffeetrinken mit Nußkuchen vorbereitet und einige setzten sich zusammen, um das nächste Kapitel aus dem Buch „Machandel“ zu hören, in dem Natalja aus Smolensk erzählt, wie ihre ersten Jahre im Dorf Machandel als Zwangsarbeiterin waren, welchen Menschen sie begegnete, welche Arbeiten sie ausführen mußte und wie sie behandelt wurde. Beim Gespräch über das Gelesene erfährt man immer wieder Neues über die Mitbewohner.

Danach rief der Chefkoch zu eineinhalb Stunden Frühjahrsputz in der Küche auf. Das Geschirr wurde von den Küchenregalen geräumt und auf mir gestapelt. Das war ganz schön viel. Jetzt sieht dieser Teil der Küche wieder strahlend aus – wurde mir erzählt. Die zweite Etappe wurde für morgen verabredet. .

Die Ostereier, die diese Woche für den Osterbrunnen gestaltet wurden und im Korb lagen, wurden verpackt und weggeräumt. Nun ist wieder Platz für neue Eier.

Ostereier in der ersten Märzwoche

Gemeinsames Abendessen fand heute nicht statt. Jede/r konnte sich nach eigenem Geschmack etwas aus der Küche nehmen. Der Chefkoch machte noch Obstsalat für das Frühstück morgen und fragte, wer noch mit ihm das Abendgebet aus Maria Laach anschauen will..  

Im Lauf des Abends gab es noch das eine oder andere Gespräch, noch mehrere Blicke in den Computer. Und weil am Montagabend „das Fest von glücklicher Löwe“ (Purim) beginnt, wurde noch ein Rezept für Hamantaschen ausgewählt – dieses Jahr mit Mandeln und Marmelade.

Nach und nach zogen sich die einzelnen MitbewohnerINNEN zurück und es wurde still.

Was andere BloggerINNEN heute erlebt haben ist bei Frau Brüllen zu finden (bitte ganz durchscrollen zur Liste unten).

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#WmdedgT Februar 2023 Sonntagsfreuden

Immer am 5. Tag des Monats fragt Frau Brüllen in die BloggerINNEN-Runde: Was machst Du eigentlich den ganzen Tag (kurz‘ WmdedgT) und sammelt auf ihrem Blog die Beiträge.

Weil hier in der WG viele wohnen und viel Besuch kommt, darf unser Wohnzimmertisch erzählen, was sich um ihn herum abspielt, was er so hört und sich dabei denkt. Schließlich ist er – mit seinen fast vierzig Jahren Anwesenheit hier in der Wohnung – so eine Art Dienstältester.

Hallo alle zusammen – heute zur Aktion ‚WmdedgT melde ich mich mal wieder zu Wort. Um halb acht wurde hier der Kachelofen eingeheizt. Das war auch nötig, denn es war knackig kalt. Danach wurde Kuchenteig für Marmorkuchen angerührt. Es roch himmlisch nach Kardamom (der Chefkoch bestand auf Kardamom – seehr viel Kardamom).

Anschließend wurde das Frühstück vorbereitet für eine größere Runde, denn am Sonntag sind mehr Menschen da als während der Woche. Am Sonntag findet das Frühstück um 9.00 Uhr statt, damit diejenigen, die Nach St. Thomas um 10.00 Uhr zum Gottesdienst wollen, auch dabei sein können. Von den Themen her ging es ziemlich kreuz und quer. Morgen kommt M. wieder für zwei Wochen. Ein Mitbewohner erzählt, wie es war, neun Monate in einem griechisch-orthodoxen Kloster zu leben nachdem er den Krieg in seiner Heimat überlebt hat. Danach ging es um die Frage, warum der Staat den Kirchen heute noch jedes Jahr Ersatzleistungen in horrender Höhe bezahlt für Enteignungen, die vor Jahrhunderten stattgefunden haben. Wie kann man das beenden?

Der Vormittag war dann recht gemütlich. An mir wurden Holzfiguren bemalt. Wenn ich das richtig sehe, war der Esel für die Weihnachtskrippe dabei. Nach Weihnachten ist nämlich vor Weihnachten. Und dieses Mal durfte der Esel unbemalt bei der Krippe mitmachen. Jetzt muß er wunderbar grau mit leichtem Olivstich im Kachelofen trocknen. Mit der Esel-Restfarbe wurden dann drei ausgeblasene Eier bemalt. Ich sage nur: Osterbrunnen-Projekt. 
 
Der Chefkoch setzte Hefeteig für zwei Sorten Pizza an, aber erst fürs Abendessen.
 
Danach war es erst einmal sonntag-mittags-ruhig. Am späten Nachmittag gab es dann Kaffee und Marmorkuchen, der sehr gelobt wurde: Wegen oder trotz des Kardamoms?. Letzten Sonntag fand hier zum ersten Mal eine Leserunde mit einem richtigen Roman statt.  Gelesen wird hier viel miteinander – besonders in der dunklen Jahreszeit, aber ein richtiger Roman. Das war und ist eine Premiere. Das Buch heißt „Machandel„, ist von Regina Scheer und erzählt aus der Perspektive von unterschiedlichen Menschen die Geschichte der DDR, die sich in dem fiktiven Dorf Machandel wie in einem Brennglas bündelt.
 
Heute war Natalja aus Smolensk dran, die erzählte, wie sie als 16jährige in den 1940iger Jahren als Ostarbeiterin verschleppt wurde und dann auf einem Gut in Machandel  landete. Alle waren sehr bewegt, als ein Mitbewohner von ganz weit her zu erzählen begann. In seiner Familiengeschichte gibt es viele Parallelen zu Natalja aus Smolensk. Sein Großonkel war in einem deutschen Konzentrationslager. Das hatte bis jetzt niemand gewußt. Die restliche Geschichte wird hier aus Diskretionsgründen nicht weiter erzählt. 
 
Danach kam unser Tischlerfreund zu Besuch und blieb zum Abendessen. Es gab dann Käsepizza und Pizza Tomaten-Mozarela. Der Chefkoch will dieses Jahr nach zweijähriger Pause wieder eine größere Sause zum Frauentag machen, der in Berlin arbeitsfrei ist, weil wir ansonsten weniger Feiertage haben als der Rest der Republik. Er sondierte die Lage und bekam große Zustimmung. Das letzte große Essen vor der Pandemie fand gerade noch zum Frauentag 2020 statt. Das war in den Jahren zuvor immer ein größeres Treffen mit Frauen aus dem Freundeskreis der Gemeinschaft gewesen.
 
Abends fanden sich noch einige zum UNO Spielen und Kardamom-Tee  zusammen, wobei wieder mal Uneinigkeit über die eine oder andere Spielregel bestand. Zwei haben sich zu einem deutsch-französichen Sprachtandem verabredet. Danach verabschiedeten sich alle nach und nach in ihre Betten.
 
Was andere BloggerINNEN heute erlebt haben ist hier zu finden (nach unten zur Liste durchscrollen)
 
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#WmdedgT Januar 2023 – Bloggeburtstag und Feiertage

Die Nachbarbloggerin lädt wieder – weil der 5. des Monats ist – zum Tagebuchbloggen ein. #WmdedgT  ist das Motto: Was machst du eigentlich den ganzen Tag. Und der Tisch im Wohnzimmer unserer WG kommt wieder zu Wort über das, was sich hier rund ums Wohnzimmer abspielt:

Kurz vor 8.00 Uhr ist es noch recht still. Ich bin schon eingedeckt für das gemeinsame Frühstück. Weil Donnerstag ist, kommt vielleicht jemand von den Nachbarn dazu. Der Kachelofen neben mir ist schon eingeheizt worden. Derzeit sind zwei Gäste für einige Tage hier – einer aus Freiburg und einer aus Werl. Beide haben früher hier in Berlin gelebt, deshalb kenne ich sie schon. Die Themen beim Frühstücksgespräch kreisten heute – nicht nur aber vorwiegend – um schwierige Themen:

– die Sternsinger kommen am Samstag ab 10.00 Uhr
– Folgen von Kriegstrauma bei älteren Menschen
– die sieben Babys vom Konzentrationslager Kaufering
– Überleben nach dem Überleben
– Erfahrungen mit (Ver-)Schweigen und Reden bei Überlebenden der Schoah und nicht-jüdischen Deutschen: Dynamiken von Schuld und Scham
 
Darauf kamen die BewohnerINNEN, weil vor kurzem ein Besuch hier war, der seine Mutter nicht kennengelernt hat und davon erzählt hat. Sie wurde in einer Nervenheilanstalt in der Nazizeit umgebracht, weil sie aufgrund ihrer Krankheit als „lebensunwertes Leben“ galt.
 
Am Vormittag wurden dann noch die Details zum Sternsinger-Besuch besprochen. In Berlin sind Katholiken eine kleine Minderheit – in der WG auch seit keine Jesuiten mehr hier leben. Die Sternsinger gehen nicht von Haus zu Haus wie das in katholisch geprägten Gegenden Brauch ist, sondern besuchen Familien, von denen sie eingeladen werden. Die Interessierten tragen sich an den beiden Sonntagen vorher in Kirchengemeinden in eine Liste ein oder rufen im Pfarrbüro an.
 
So haben wir erfahren, daß die Sternsingergruppe mit den erwachsenen Begleitern – jemand von den Eltern oder der Kirchengemeinde – ab 10.00 Uhr zu unserem offenen Samstagsfrühstück kommen werden. In Berlin kann man Kindergruppen, die als Sternsinger verkleidet sind, nicht alleine losgehen lassen. Das Risiko, daß sie von nicht wohlmeinenden Erwachsenen dumm angemacht aggressiv angesprochen werden oder gar gewalttätige Übergriffen ausgesetzt sein könnten, ist zu groß.
 
Die Sternsingeraktion sammelt dieses Jahr für Projekte in Asien. „Kinder stärken – Kinder schützen in Indonesien und weltweit“ lautet das Motto der aktuellen Sternsingeraktion 2023. Die Organisatoren schreiben:
 
„Weltweit leiden Kinder unter Gewalt. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass jährlich eine Milliarde Kinder und Jugendliche physischer, sexualisierter oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind – das ist jedes zweite Kind.“
 
Gleichzeitig wird an diesem Tag für einen Mitbewohner, der mehrere tausend Kilometer von zuhause weg ist, sein griechisch-orthodoxes Weihnachten sein. Dafür wird ein besonderes Abendessen geplant.
 
Am Vormittag – bei einem Telefongespräch – hat K. erzählt, daß sie vor fünfzehn Jahren an Sylvester mit ihrer kleinen Tochter auf dem Arm im Wassertor-Kiez von Jugendlichen durch das Viertel gejagt wurde. Seitdem geht sie am 31. Dezember nicht mehr raus. „Und jetzt wundern sich alle über die Jugendgewalt dieses Sylvester. Die haben die letzten 15 Jahre nichts gemacht. Ich wundere mich nicht“ sagt sie.  Die Polizei hat sie damals nicht ernst genommen, obwohl eine Frau, die zur gleichen Zeit dort unterwegs war, ein Auge verloren hat. Der Wassertor-Kiez liegt zwischen Halleschem Tor und Kottbusser Tor beim U-Bahnhof Prinzenstraße.
 
K. ist als Märchenerzählerin ausgebildet und unterwegs. Sie wird am 15. Januar um 15.00 Uhr zu uns kommen und hier im Wohnzimmer „Frau Holle“ mit Geigenbegleitung uns und Freunden der WG erzählen. 
 
Danach wurde der Hefeteig für den Dreikönigskuchen angesetzt. Hier kann man ein früheres Exemplar sehen.  Bei uns wird er nach Schweizer Rezept gemacht, obwohl wir derzeit niemand aus der Schweiz bei uns wohnen haben, aber manche (kulinarischen) Traditionen erhalten sich.
 
Zum Mittagessen gab es für die vier Anwesenden Reste vom Kartoffelauflauf mit Salat. Der Besuch aus Freiburg war im Marienstift gewesen, wo er unseren lange Zeit ältesten Mitbewohner, Bruder Christian (derzeit 90 Jahre) nach einer Corona-Infektion besucht hat und berichtete davon.  Inzwischen muß man sich nicht mehr im Heim anmelden für ein Zeitfenster, sondern kommt mit einem tagesaktuellen Corona-Test tagsüber ins Haus (außer zwischen 12 und 14 Uhr). Bruder Christian ist noch sehr geschwächt und freut sich über jeden Besuch auch wenn er nicht mehr jede/n erkennt, der kommt. Da der Corona-Test im nahegelegenen Testzentrum inzwischen 10 Euronen kostet wenn man keinen Nachweis hat, daß man jemand im Krankenhaus oder im Seniorenheim besucht, hat der Freiburg-Besuch für einige Mitbewohner Bestätigungen von der Verwaltung des Heimes mitgebracht und auf mir abgelegt.
 
Der Nachmittag verlief unspektakulär. Ein Einkauf bei Aldi war fällig – zu teilweise spektakulären Preisen. Der Frischkäse, der jahrelang 89 Cent kostet, wird inzwischen – wie ich höre – für 1,59 Euro unters Volk gebracht. Ein Bewohner kam vom Betriebsausflug ins Potsdamer Biosphären-Reservat oder so ähnlich zurück und hat ganz begeistert davon erzählt, obwohl er am Abend zuvor überhaupt keine Lust dazu hatte. 
 
Der Besuch aus Werl, Bruder Winfried von der Emmaus-Gemeinschaft, war auch unterwegs. Er spielt mehrere Instrumente und hat eine englische Concertina dabei – eine Art Mini-Akkordeon. Am Anhalter Bahnhof hat er im Zwischengeschoß Straßenmusik gemacht. Uns hat er abends einige Volkstänze und Volkslieder aus verschiedenen Ländern vorgespielt (z.B. Irland und Moldawien). Einige Bewohner hatten noch Lust zu singen und wurden von Bruder Winfried begleitet.
 
Danach wurde noch im Internet gesurft und Näharbeiten gemacht, die Küche aufgeräumt und der Kachelofen für die Nacht mit einem Brikett, das mit nassem Zeitungspapier umwickelt ist, gefüttert, damit er nicht auskühlt bis zum Morgen..
 
Als der Computer für den ersten Teil dieses Eintrags hochgefahren wird, gratuliert wordpress zum Bloggeburtstag, zwar einen Tag zu früh, aber 2016 ging es hier los. 
Inzwischen gibt es 658 Blogposts – mit diesem dann 659. Letztes Jahr waren etwas über 6900 BesucherINNEN hier, die etwas mehr als 17 000 Seiten aufgerufen haben. Ganz schön viel für so ein WG-Nischenblog. 
 
Zum Weiterlesen:
Was andere BloggerINNEN heute am 5. Januar 2023 gemacht haben, wird  hier   (nach unten zur Liste durchscrollen) erzählt.
Die „Heiligen Drei Könige“: Was Bibel und christliche Traditionen dazu meinen steht hier
 
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#Wmdedgt Dezember 2022: adventliche Alltagssplitter

Weil wieder der 5. eines Monats ist, lädt die Blognachbarin unter dem Motto „Was machst du eigentlich den ganzen Tag“ kurz wmdedgT zum Tagebuchbloggen ein.

Ich bin der Tisch von der Wohngemeinschaft Naunynstraße mitten in Kreuzberg  im ehemaligen SO 36. 

Um halb sieben wurde der Kachelofen neben mir mit Kohlen neu bestückt, damit es eine Grundwärme zur Frühstückszeit gibt. Eine Stunde später ging es dann mit den Frühstücksvorbereitungen los. Um acht Uhr trafen sich dann die BewohnerINNEN, die nicht außerhalb arbeiten zum gemeinsamen Frühstück.

Weil einer sich mit einem Eiersatzprodukt, das die WG geschenkt bekommen hat, Rührei machte, führte das zum Austausch darüber, was von Ersatzprodukten für veganes Leben zu halten sei (Fleischersatz, Käseersatz, Ei-Ersatz etc.). Dann kam noch die Frage auf, was genau eine Stiftung ist, für welche Zwecke man Stiftungen errichten kann. Eine konnte ihre Erfahrung erzählen, ein Jahresstipendium von einer Stiftung erhalten zu haben und wie sich das auf sie und das geförderte Projekt ausgewirkt hat. Weil zur Zeit immer wieder Flötenmusik von Hans-Jürgen Hufeisen gehört wird, wurde auch über das Leben dieses Musikers gesprochen. Er wurde von seiner Mutter, einer Handlungsreisenden, in einer Pension geboren und dort zurückgelassen. Erst war er in einer Pflegestelle und später in einem evangelischen Kinderheim, wo eine Erzieherin sein musikalisches Talent entdeckte und förderte. Ein anderer Bewohner erzählte von einem Film, in dem gezeigt wurde, wie Häuser aus Paletten gebaut. wurden.

Nach dem Frühstück wurde abgespült und die Böden gewischt. Danach waren die Quitten zur Verarbeitung dran, die die WG geschenkt bekommen hat. Sie wurden ge-schnitten und die Kernhäuser entfernt. Danach wurden sie gekocht bis sie weich waren. Die Flüssigkeit wurde abgegossen und daraus Quittengelee gekocht (12 Gläser) – teils mit Zimt und teils ohne. Aus dem Fruchtfleisch (2 Kilo) und der gleichen Menge Zucker unter einstündigem Rühren entstand dann die Grundlage für Quittengelee, eine Art Konfekt. Der eingedickte Brei wurde auf ein Blech und auf eine Springform gestrichen, die mit Packpapier belegt waren. Das Blech landete im Herd zum Trocknen und die Springform im Kachelofen. Ein Bewohner hatte erzählt, daß seine Mutter aus den Kernhäusern von Quitten Tee macht, der gegen Husten hilft. Das wurde dann gleich ausprobiert, weil eine Bewohnerin gerade mit einem Infekt unterwegs ist …

Zwischendurch hatte ein Bewohner sich auf den Weg zur Arbeit gemacht und ein anderer ist zum Kieztreff in den Prenzlauer Berg in die Kleiderkammer gefahren.

In der Zwischenzeit hat der Chefkoch einen Nudelauflauf mit Salat vorbereitet und eine Bewohnerin in der Küche in einem Topf Zweige angesetzt. Das warme Essen tat uns allen gut. Anschließend setzten sich einige zusammen, um den Abendimpuls aus Maria Laach von unserem Freund, Pater Philipp, zu hören. 

Im „anderen Advent“ stand heute der „Tag des Ehrenamtes“ im Mittelpunkt. Ganz verschiedene Menschen wurden mit ihren ehrenamtlichen Engagements vorgestellt. Deutsch lernen mit Flüchtlingen oder Lebensmittel bei der Tafel ausgeben kannten alle. Aber daß man nach einem vorgegebenen Skript Krankheiten simulieren kann, damit angehende Ärzte Empathie einüben, war doch recht ungewöhnlich.

Das Wohnzimmer leerte sich langsam …

Weitere Beiträge zum Tagebuchbloggen #wmdedgt gibt es hier

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#WmdedgT November 2022: Assisi und der Osterbrunnen

Weil wieder der 5. eines Monats ist, lädt die Blognachbarin unter dem Motto „Was machst du eigentlich den ganzen Tag“ kurz wmdedgT zum Blogaustausch ein.

Ich bin der Tisch von der Wohngemeinschaft Naunynstraße mitten in Kreuzberg  im ehemaligen SO 36. 

Heute fand wieder unser wöchentliches Samstagsfrühstück statt – in etwas kleinerer Runde aber nicht weniger interessant. Johannes war von seiner zehntägigen Reise aus Assisi zurückgekehrt und hatte viel zu erzählen. Er war dort mit seiner Geschwisterschaft, einer spirituellen Gruppe, deren Angehörige verschiedenen Religionen angehören. Schwester Rita hatte ja schon mal vor drei Jahren hier im Wohnzimmer mit vielen Bildern von Assisi erzählt, wo sie elf Jahre gelebt hat. Von daher war nicht alles neu für mich. Jedenfalls hat es uns alle sehr gefreut, dass es für ihn eine gute Zeit war. Er zweifelte wegen seines Gesundheitszustands sehr, ob er die Fahrt machen soll oder nicht. Gut, dass er losgefahren ist.

Und dann waren wir völlig überrascht, welche Resonanz der letzte Blogeintrag über die Vision Osterbrunnen hatte. Doris, die wir schon lange nicht mehr gesehen haben, kam mit einem 35 – Zentimeter – Servietten -Stapel  für die Eier in Serviettentechnik. Wir haben jetzt Servietten in allen möglichen Schattierungen und im Hinblick auf den Osterbrunnen dürften die Servietten einige Jahre reichen, wenn nicht gar Jahrzehnte. Hier ist eine kleine Auswahl:

Servietten und Temperafarben

In der Mitte liegen Temperafarben und Ostereierfarben von Ilona. Alain hat noch zehn Eier zum Ausblasen mitgebracht. Wir haben uns sehr gefreut. Vielen Dank dafür.

Am Nachmittag war der Chefkoch unterwegs um eine neue Waschmaschine (gebraucht) aufzutun. Unsere alte liegt in den letzten Zügen. Wir haben sie seit April 2016 als Christian ausgezogen ist. Dafür, daß wir fast jeden Tag waschen und meist dann gleich mehrmals, hat sie einen guten Job gemacht. 

Ansonsten war nichts besonderes mehr. An mir wurde gelernt, sich unterhalten, zwei Eier bemalt und genäht…

Weitere Schilderungen über den 5. November von anderen BloggerINNEn gibt es hier.

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#wmdedgT Oktober 2022: Durchmischtes

Am 5. des Monats ruft die Nachbarbloggerin immer zum Tagebuchbloggen auf unter dem Motto „WMDEDGT?“ (kurz und knackig für „Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?“). Manchmal melde ich mich auch hier im Blog zu Wort und dieses Mal habe ich einiges zu erzählen.

Ich bin der Tisch von der Wohngemeinschaft Naunynstraße mitten in Kreuzberg  im ehemaligen SO 36. 

Der Tag begann ganz gemächlich mit einem Frühstück in kleiner Runde um 8.00 Uhr. Eines der Themen war das Kunst- und Kulturfestival auf dem Oranienplatz in unserer Nachbarschaft vom 5. bis 8. Oktober. Am Donnerstag wird Angela Davis kommen und eine Rede halten. Einige von der WG wollen hingehen. Auf der Website heißt es:

O-Platz wird 10 – Baustelle Migration

Vor 10 Jahren wurde der Oranienplatz und die Gerhart-Hauptmann-Schule von einer Geflüchteten-Bewegung besetzt. Wir, International Women* Space, haben uns aus dieser Bewegung gegründet und wollen das gemeinsam mit euch feiern! Denn ihr seid wichtiger Bestandteil dieser Bewegung und habt großen Anteil, dass Aktivistinnen, Geflüchteten, Migrantinnen, Gruppen und Einzelpersonen gemeinsam Widerstand leisten konnten. Wir wollen erneut alte Mitstreiter*innen zusammenbringen und neue Menschen mobilisieren, um uns gemeinsam an die Kämpfe geflüchteter Personen zu erinnern und unser Bestehen zu zelebrieren. Um reale Veränderung herbeizuführen, benötigt es zudem Zukunftsperspektiven, denen wir kollektivistisch nachgehen werden.

 

Mit dem Überfall auf die Ukraine kamen hunderttausende Menschen nach Deutschland und wir konnten sehen: Es ist sehr wohl möglich, mühsame bürokratische Prozesse zu umgehen und Menschen den Schutz anzubieten, den sie brauchen. Wir wissen aber auch, dass dieser Schutz nicht allen Geflüchteten eingeräumt wird. Umso wichtiger ist es, am 10-jährigen Jubiläum der Besetzung des O-Platzes daran zu erinnern, dass der daraus entstandene Widerstand immer noch lebt und weiterhin in die Öffentlichkeit getragen werden muss!

Auf der Verkehrsinsel des Oranienplatzes steht ein Riesenplakat: „Stoppt Deportation“. Als ich das hörte, wurde ich an, Christian erinnert, den Gründer der WG, der vor Corona jedes Jahr am 3. Oktober und am Karfreitag eine Mahnwache vor dem Abschiebegefängis mit den „Ordensleuten gegen Ausgrenzung“ und anderen Interessierten und Aktivisten organisiert hat – erst in Grünau, dann wurde der Abschiebeknast zum Flughafen Schönefeld verlegt. Dort wollten die Betreiber (das Land Berlin, das Land Brandenburg und der Bund) die Mahnwache verbieten mit der Begründung, das sei Privatgelände. Christian hat sich durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht durchgeklagt und dort Recht bekommen. Das Gelände vor dem Abschiebegefängnis ist kein Privatgelände, sondern öffentlicher Raum. Heute heißt das nicht mehr „Abschiebegefängnis“. Die neue Sprachregelung lautet „Flughafengewahrsam„.

Nach dem Frühstück ist ein Bewohner losgegangen und hat viel von dem Brot, das wir gestern wieder von der Bäckerei bekommen haben, zum Mittwochscafe von St. Marien-Liebfrauen gebracht. Dort bereiten Ehrenamtliche belegte Brote, Kuchen und Obstsalat vor. Inzwischen dürfen die BesucherINNEN wieder in den Gemeindesaal und können sich dort hinsetzen, essen, trinken und miteinander ins Gespräch kommen. Hoffentlich geht das noch recht lange, denn seit Corona-Beginn durften nur noch Lebensmittelpäckchen ausgegeben werden.

In der WG haben sich am späten Vormittag noch zwei an mir zusammengefunden und ausgeblasene Eier gestaltet. Im Hof von St. Marien-Liebfrauen steht ein wunderschöner Brunnen. Der soll im nächsten Jahr ein Osterbrunnen werden, eine Tradition in Teilen von Franken. Dafür sind einige kreative Talente aktiv. Inzwischen sind schon 130 Eier in unterschiedlichen Techniken fertig. Sie müssen nur noch mit Lack fixiert werden. Hier die neusten Exemplare:

Eier für den Osterbrunnen

Mittags nach der Orgelandacht in St. Thomas kamen Susanne und Reinhard vorbei und es gab Reispfanne mit Gemüse – den Rest vom Gemeinschaftsabend gestern.

Der Nachmittag war ganz ruhig. Alle waren unterwegs. Ich konnte mal durchschnaufen Im Moment ist feiertagsmäßig ganz schön viel los. Am Sonntag war Erntedankfest, am Montag Tag der deutschen Einheit, am Dienstag Namenstag von Franz von Assisi und damit auch von einem Mitbewohner. Heute war höchster jüdischer Feiertag: Jom Kippur (Versöhnungstag) und am Sonntagabend geht es dann mit dem Laubhüttenfest weiter. Von seinen Ursprüngen her ist das Laubhüttenfest ein Erntedankfest.

Auch dieses Jahr am letzten Sonntag haben wir von der SELK-Gemeinde (selbständige evangelisch-lutherische Kirche) in unserer Nachbarschaft wieder Gaben zum Erntedank geschenkt bekommen – und auch von Sankt Michael. Alles wurde malerisch auf mir drapiert fürs Blog-Foto. Voilà:

Erntedank-Tisch 2022

Am frühen Abend kam dann noch Alain vorbei. Er hat letzten Samstag mit einem Mitbewohner die Tischplatte abgeschliffen, mit der ich immer fürs Samstagsfrühstück verlängert werde. Die muß jetzt noch eingelassen werden. Dafür wurden noch ein paar Details abgesprochen.

Danach gab es für die Anwesenden – wieder kleine Runde – einen leckeren Nudelauflauf mit Gemüse. 

Kurz vor sieben ging M. zur Bäckerei und holte dort die übrig gebliebenen Backwaren. Zwei verpackten die belegten Baguettes in kleinere Tüten und brachten sie einer Gruppe von Wohnungslosen, die sich am Oranienplatz zusammenfindet. Gegenüber, wo das Kulturfestival stattfindet, war schon ein Open Air Konzert.

Wir wunderten uns, daß unser Mitbewohner H. noch nicht zuhause war. Später sollten wir erfahren, daß er ins Krankenhaus gebracht worden ist.

Kurz nach neun Uhr brachte ein Mitbewohner die Backwaren, die für uns zu viel sind, zum Kottbuser Tor. Auf der Verkehrsinsel unter der Hochbahn gibt es immer am Mittwoch- und am Samstagabend eine Essensausgabe der Berliner Obdachlosenhilfe. Die freuen sich immer sehr, wenn wir etwas vorbeibringen. Es ist unglaublich, wieviel Brot abends in der Bäckerei übrig bleibt, weil der Anspruch besteht, daß bis kurz vor Geschäftsschluß alles verfügbar sein muß.

Zum Weiterlesen:
Laubhüttenfest in Zeiten von Corona oder von der Verletzlichkeit unseres Lebens
Von der Essensausgabe der Berliner Obdachlosenhilfe und vom Hippster-Imbiß:
Zwei Schlangen, zwei Welten und nur 80 Meter Luftlinie
Radiobeitrag (vier Minuten) beim Deutschlandradio über unser Samstagsfrühstück
Mehr Tagebuch-Bllogger-Einträge von ‚wmdedgT gibt es bei Frau Brüllen und zwar 
hier (nach unten durchscrollen)

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#WmdedgT August 2022: Androhung einer Abschiebung

Am 5. des Monats ruft die Nachbarbloggerin immer zum Tagebuchbloggen auf unter dem Motto „WMDEDGT?“ (kurz und knackig für „Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?“). Manchmal melde ich mich auch hier im Blog zu Wort und dieses Mal habe ich nur wenig zu erzählen.

Ich bin der Tisch von der Wohngemeinschaft Naunynstraße mitten in Kreuzberg  im ehemaligen SO 36. 

Um kurz nach sechs Uhr ging die Wohnungstür zum ersten Mal. Und weil der Schlüssel von Sankt Michael im Regal neben mir mitgenommen wurde, weiß ich, daß jemand auf dem Weg zum Bäume gießen war, weil es die letzten Tage so heiß war und nicht geregnet hat. Mit dem Schlüssel kommt man nämlich auch in einen Nebenraum mit Wasserquelle.

Die Frühstücksrunde um acht Uhr, die sich um mich versammelte, war sehr klein – nur drei Menschen. Einer, der eine Lernschwäche hat und nicht englisch lernen konnte, beklagte, daß er sich bei den Demos der LGBT-Community ausgeschlossen fühlt, weil die Redebeiträge immer auf englisch sind und nicht übersetzt werden. Außerdem wurde über das Flüchtlingscamp in unserer Nachbarschaft auf dem Oranienplatz gesprochen. Es gab schon 2015 ein Camp. Da haben die Geflüchteten gegen die Residenzpflicht protestiert und gegen andere schlechte Bedingungen. Dieses Mal geht es um strukturellen Rassismus. Die Geflüchteten aus der Ukraine werden nämlich unterschiedlich behandelt. Wenn sie einen ukrainischen Paß haben, bekommen sie gleich eine Aufenthaltserlaubnis und Zugang zum Gesundheitswesen und zum Arbeitsmarkt. Für die afrikanischen Studierenden, die aus der Ukraine geflüchtet sind, sieht das ganz anders aus. Wenn sie überhaupt eine Chance haben wollen hier zustudieren, dann müssen auf einem Sperrkonto 11 000 – elftausend – Euro hinterlegt werden. Wer hat das denn? Das ist jetzt ein Anlaß für den Protest. Ein Afrikaner, der im März an mir Platz genommen hat, bekam letzte Woche das amtliche Schreiben, daß er in sein Herkunftsland zurück muß. Für den Fall, daß er nicht freiwillig ausreist, wird die Abschiebung angekündigt. Er hat gehofft, daß er sein Medizinstudium hier beenden kann. Er hat begonnen deutsch zu lernen und auch schon eine kleine bezahlte Tätigkeit gefunden. Er wohnt bei einer Verwandten, die schon seit vielen Jahren in Deutschland ist und einen gesicherten Aufenthaltsstatus hat. Trotzdem: Es sieht schlecht aus für ihn. In der taz heißt es:

Besonders offensichtlich wird dieser staatliche Rassismus im Umgang mit Geflüchteten aus der Ukraine. Während Besitzenden eines ukrainischen Passes in vorbildlicher Geschwindigkeit Schutzstatus und Arbeitserlaubnis gewährt wurde, gestaltet sich die Situation für Drittstaatenangehörige, insbesondere die zahlreichen Studierenden aus afrikanischen Ländern, die aus der Ukraine geflohen sind, deutlich schwieriger. (von hier )

Während des Frühstücks zog schon der Duft des Schabbatbrots, das im Ofen war, durch die Wohnung. Tagsüber wurden einige Telefonate geführt. Freunde in Frankfurt müssen sich wegen Corona isolieren, und ein geplanter Besuch kann nicht stattfinden. Einige Details für Exerzitien auf der Strasse in Kreuzberg, die nächste Woche beginnen, müssen noch geklärt werden. Einkäufe fürs Wochenende wurden organisiert.

Mittags hat ein Bewohner ein Video auf seinem Smartphone gezeigt. Er kommt aus einem Land, das früher zur Sowjetunion gehörte. Heute lebt dort eine russische Minderheit. Das Video spielt in einem Bus dort. Der Busfahrer läßt ukrainische Musik laufen. Eine russische Familie, die mitfährt, beschwert sich sehr lautstark darüber. Sie schreien, daß der Busfahrer die Musik abstellen soll. Sie wollen diese Scheiß-Sprache nicht hören. Die anderen Fahrgäste solidarisieren sich und sagen, daß sie aussteigen sollen, wenn ihnen das nicht paßt.

Für das Abendessen bereitet der Chefkoch einen Eintopf mit Hühnerfleisch, Kartoffeln und Gemüse vor, der nach dem Anzünden der Schabbatkerezen und dem Segen über Wein und Brot verspeist wird. Danach ist es erst einmal ruhiger. Heute ist kein Konzert in der Trinkteufel-Kneipe im Erdgeschoß. Kurz vor Mitternacht wird der Computer hochgefahren für den Schabbat-G-ttesdienst in der Central Synagogue in New York.

Weitere Einträge zum #wmdedgT gibt es bei Frau Brüllen

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