Feiertage: die eigenen und die der anderen

Weil in unserer Gemeinschaft Menschen aus unterschiedlichen religiösen Traditionen leb(t)en und wir auch Besuch von Menschen aus unterschiedlichen kulturellen und religiösen Traditionen bekommen, haben wir Berührung mit ganz unterschiedlichen Feiertagen – eine Chance zum Gespräch und der Auseinandersetzung mit dem Eigenen und mit dem Anderen.

Der Frühlingsanfang begann astronomisch am Montag, den 20. März 2023, um 22:24 Uhr mitteleuropäischer Zeit (MEZ). Frühere Generationen kannten noch den Frühlingsanfang am 21. März. Warum der Frühlingsanfang nicht mehr am 21. März ist, sondern in Richtung 19. März wandert, steht hier.

In der nächsten Zeit fallen ganz unterschiedliche Feiertage an:

Heute am 21. März ist für Aleviten der Gedenktag des Heiligen Ali – Nevruz. Er war ein Cousin Mohammeds und gehörte zu dessen ersten Anhängern. Er wird „Tor des heiligen Wissens“ genannt, weil er in seinem Leben sich für Wissenschaft und Gerechtigkeit eingesetzt hat.

Aleviten treffen sich heute, um Erzählungen aus seinem Leben zu hören. Seine Lehren werden vorgetragen und diskutiert, was sie für das Leben heute bedeuten. Außerdem wird das Frühlingsfest Nevruz gefeiert. 

Die Bahai feiern heute ihr Neujahrsfest Naw-Ruz. Für sie beginnt das Kalenderjahr 180. Das Fest wird fröhlich begangen In manchen Familien gibt es Geschenke.

Für Muslime beginnt am 23. März der Fastenmonat Ramadan – ein Monat des Fastens, der Buße und Versöhnung. Da der muslimische Kalender ein Mondkalender ist, wandert der Ramadan durch die Jahreszeiten.

Unser Freund Roj, den viele vom Samstagsfrühstück her kennen und der regelmäßig ein hinduistisches Gebet singt, feiert als Hindu am 30. März Rama Navami. Dabei wird an Rama gedacht, dem Helden des Ramajana-Epos. Er wird in Pujas verehrt. Sein Leben wird erzählt oder als Theaterstück aufgeführt. 

Der Frühlingsvollmond fällt in diesem Jahr auf den 6. April. Da das Pessachfest auf den Frühlingsvollmond fällt, feiern Juden den ersten Sederabend am 5. April. In der jüdischen Tradition beginnt der Tag am Vorabend. Es wird der Auszug aus Ägypten, die Befreiung aus der Sklaverei gefeiert. Acht Tage lang werden Mazzen (ungesäuerte Brote) gegessen. 

Auch das christliche Osterfest orientiert sich am Frühlingsvollmond. Weil Ostern als Tag der Auferstehung von Jesus am Sonntag gefeiert werden muß, findet das christliche Osterfest Sonntag nach dem Frühlingsvollmond statt, dieses Jahr am 9. April. Da die meisten orthodoxen Christen einen anderen Kalender haben, feiern sie Ostern eine Woche zeitversetzt am 16. April. Wir feiern deshalb in unserer Gemeinschaft zwei Mal Ostern (gilt übrigens auch für Weihnachten und Nikolaus).

Vom Termin des Ostersonntags aus werden die anderen Feiertage begangen. Der Sonntag vor Ostern ist der Palmsonntag. Er eröffnet die heilige Woche Am darauffolgenden Freitag, dem Karfreitag, wird an den Tod von Jesus erinnert.

Wir wünschen allen in und mit ihren Gemeinschaften frohe und inspirierende Feiertage.

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A wie Asure und wie Afghanistan

In diesen Tagen, in denen es so viele Orte auf der Welt gibt, an denen viele Menschen schweren Situationen ausgesetzt sind und wir nach Afghanistan schauen, wie es dort weiter geht und wie viele Menschen nach dem Einmarsch der Taliban ausgeflogen und gerettet werden können, fällt es schwer, über unserem Wohngemeinschaftsalltag zu schreiben.

Asure-Speise

Heute, am 10. des islamischen Monat Muharrem, waren wir mit Sankt Michael von der alevitischen Gemeinde in unserer Nachbarschaft in Kreuzberg zum Asure-Fest (Aschura) eingeladen und bekamen nach einer sehr herzlichen Begrüßung die Ashure-Speise (dazu mehr unten) und eine Einführung, worum es bei diesem Feiertag geht. 

„Durch die zwölftägige Trauerzeit zeigen die Aleviten ihre Verbundenheit mit dem Imam Hüseyin, der im Jahre 680 n. Chr. in Kerbala er­mordet wurde. Um seinen Leidensweg nachzuempfinden, wird bei der Trauer gefastet und Enthaltsamkeit ausge­übt. Später wurden auch weitere Nachkommen der Pro­phetenfamilie von der Omaijaden-dynastie ermordet. Zu Ehren weiterer Imame wird deshalb zwölf Tage gefastet.

Nach dem bis zu 12tägigen Moharrem-Fasten wird eine Süßspeise (Ashure) gekocht und als Symbol der Dankbarkeit unter Bekannten, Verwandten und Nach­barn verteilt und gemeinsam gegessen. Aleviten bringen mit Ashure ihren Dank zum Ausdruck, dass Zeynel Abi­din, der Sohn von Imam Hüseyin aufgrund seiner Krank­heit das Massaker von Kerbala überlebte.

Aschure ist eine – aus zwölf verschiedenen Zutaten beste­hende – Süßspeise. Die Zutaten können variieren, aber sie müssen zwölf an der Zahl sein, denn diese symboli­sieren die 12 Imame. Es sind z.B. Weizen, Bohnen, Sau­bohnen, Kichererbsen, Kastanien, Haselnüsse, Pistazien, Mandeln, Sultaninen, Feigen, Aprikosen und Walnüsse.“
(von  hier). Soweit die Erläuterung auf der Website der Aleviten.

Ich kannte bis dahin die Variante der sunnitischen Muslime und kannte die Süßspeise, die uns gereicht wurde als „Noahs Pudding“. Ihre Tradition sagt, daß Noah an diesem Tag mit der Arche auf dem Berg Ararat landete und aus den noch vorhandenen Vorräten an Körnern, Hülsenfrüchten und Trockenfrüchten eine Suppe zubereitet hat. Das Wort Aschure soll vom Wort Aschere (das die Zahl ZEHN bedeutet) stammen. An diesem Tag sind zu verschiedenen Zeiten wichtige Taten durch die Gnade G-ttes geschehen: 

1. ER hat  Musa /Moses geholfen, indem ER für ihre Flucht das Meer gespalten hat und die Truppen der Ägypter hinterher darin ertränkt hat.

2. Der Prophet Noah hat an diesem Tag seine Arche auf dem Berg Ararat die Arche verlassen können.

3. Der Prophet Yunus / Jona / Jonas konnte an dem Tag aus dem Bauch des Fisches entkommen.

4. Die Reue von Adam wurde an diesem Tag von G-tt angenommen.

5. Der Prophet Yusuf /Josef, der von seinen Brüdern in einen Brunnen geworfen wurde, wurde an diesem Tag daraus gerettet.

6. Isa / Jesus wurde an diesem Tag geboren und ist auch an diesem Tag zum Himmel hinauf gestiegen.

7. Die Reue von Davud / David wurde von G-tt an diesem Tage angenommen.

8. Abraham wurde an diesem Tag sein Sohn Ismael geschenkt. (Gemeint ist damit nicht die Geburt von Ismael. Muslime gehen anders als Juden und Christen davon aus, daß Ismael der Sohn Abrahams ist, der gebunden / geopfert werden sollte und nicht Isaak)

9. Der Prophet Yakub / Jakob dessen Augen durch die Sehnsucht nach seinen Sohn Yusuf  erblindete, bekam an diesem Tag sein Augenlicht wieder.

10.  Eyyub / Hiob (Friede sei mit ihm), der die Bürde einer schweren Krankheit trug, wurde an diesem Tag davon geheilt.

Alle diese biblischen Personen gelten im Islam als Propheten.

Die meisten dieser Taten erzählen von Hilfe und Rettung aus lebensbedrohlichen Situationen. Und damit schließt sich der Kreis zur Situation in Afghanistan heute. Wir wünschen uns, daß möglichst viele Menschen gerettet werden können.

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