#WmdedgT Januar 2023 – Bloggeburtstag und Feiertage

Die Nachbarbloggerin lädt wieder – weil der 5. des Monats ist – zum Tagebuchbloggen ein. #WmdedgT  ist das Motto: Was machst du eigentlich den ganzen Tag. Und der Tisch im Wohnzimmer unserer WG kommt wieder zu Wort über das, was sich hier rund ums Wohnzimmer abspielt:

Kurz vor 8.00 Uhr ist es noch recht still. Ich bin schon eingedeckt für das gemeinsame Frühstück. Weil Donnerstag ist, kommt vielleicht jemand von den Nachbarn dazu. Der Kachelofen neben mir ist schon eingeheizt worden. Derzeit sind zwei Gäste für einige Tage hier – einer aus Freiburg und einer aus Werl. Beide haben früher hier in Berlin gelebt, deshalb kenne ich sie schon. Die Themen beim Frühstücksgespräch kreisten heute – nicht nur aber vorwiegend – um schwierige Themen:

– die Sternsinger kommen am Samstag ab 10.00 Uhr
– Folgen von Kriegstrauma bei älteren Menschen
– die sieben Babys vom Konzentrationslager Kaufering
– Überleben nach dem Überleben
– Erfahrungen mit (Ver-)Schweigen und Reden bei Überlebenden der Schoah und nicht-jüdischen Deutschen: Dynamiken von Schuld und Scham
 
Darauf kamen die BewohnerINNEN, weil vor kurzem ein Besuch hier war, der seine Mutter nicht kennengelernt hat und davon erzählt hat. Sie wurde in einer Nervenheilanstalt in der Nazizeit umgebracht, weil sie aufgrund ihrer Krankheit als „lebensunwertes Leben“ galt.
 
Am Vormittag wurden dann noch die Details zum Sternsinger-Besuch besprochen. In Berlin sind Katholiken eine kleine Minderheit – in der WG auch seit keine Jesuiten mehr hier leben. Die Sternsinger gehen nicht von Haus zu Haus wie das in katholisch geprägten Gegenden Brauch ist, sondern besuchen Familien, von denen sie eingeladen werden. Die Interessierten tragen sich an den beiden Sonntagen vorher in Kirchengemeinden in eine Liste ein oder rufen im Pfarrbüro an.
 
So haben wir erfahren, daß die Sternsingergruppe mit den erwachsenen Begleitern – jemand von den Eltern oder der Kirchengemeinde – ab 10.00 Uhr zu unserem offenen Samstagsfrühstück kommen werden. In Berlin kann man Kindergruppen, die als Sternsinger verkleidet sind, nicht alleine losgehen lassen. Das Risiko, daß sie von nicht wohlmeinenden Erwachsenen dumm angemacht aggressiv angesprochen werden oder gar gewalttätige Übergriffen ausgesetzt sein könnten, ist zu groß.
 
Die Sternsingeraktion sammelt dieses Jahr für Projekte in Asien. „Kinder stärken – Kinder schützen in Indonesien und weltweit“ lautet das Motto der aktuellen Sternsingeraktion 2023. Die Organisatoren schreiben:
 
„Weltweit leiden Kinder unter Gewalt. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass jährlich eine Milliarde Kinder und Jugendliche physischer, sexualisierter oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind – das ist jedes zweite Kind.“
 
Gleichzeitig wird an diesem Tag für einen Mitbewohner, der mehrere tausend Kilometer von zuhause weg ist, sein griechisch-orthodoxes Weihnachten sein. Dafür wird ein besonderes Abendessen geplant.
 
Am Vormittag – bei einem Telefongespräch – hat K. erzählt, daß sie vor fünfzehn Jahren an Sylvester mit ihrer kleinen Tochter auf dem Arm im Wassertor-Kiez von Jugendlichen durch das Viertel gejagt wurde. Seitdem geht sie am 31. Dezember nicht mehr raus. „Und jetzt wundern sich alle über die Jugendgewalt dieses Sylvester. Die haben die letzten 15 Jahre nichts gemacht. Ich wundere mich nicht“ sagt sie.  Die Polizei hat sie damals nicht ernst genommen, obwohl eine Frau, die zur gleichen Zeit dort unterwegs war, ein Auge verloren hat. Der Wassertor-Kiez liegt zwischen Halleschem Tor und Kottbusser Tor beim U-Bahnhof Prinzenstraße.
 
K. ist als Märchenerzählerin ausgebildet und unterwegs. Sie wird am 15. Januar um 15.00 Uhr zu uns kommen und hier im Wohnzimmer „Frau Holle“ mit Geigenbegleitung uns und Freunden der WG erzählen. 
 
Danach wurde der Hefeteig für den Dreikönigskuchen angesetzt. Hier kann man ein früheres Exemplar sehen.  Bei uns wird er nach Schweizer Rezept gemacht, obwohl wir derzeit niemand aus der Schweiz bei uns wohnen haben, aber manche (kulinarischen) Traditionen erhalten sich.
 
Zum Mittagessen gab es für die vier Anwesenden Reste vom Kartoffelauflauf mit Salat. Der Besuch aus Freiburg war im Marienstift gewesen, wo er unseren lange Zeit ältesten Mitbewohner, Bruder Christian (derzeit 90 Jahre) nach einer Corona-Infektion besucht hat und berichtete davon.  Inzwischen muß man sich nicht mehr im Heim anmelden für ein Zeitfenster, sondern kommt mit einem tagesaktuellen Corona-Test tagsüber ins Haus (außer zwischen 12 und 14 Uhr). Bruder Christian ist noch sehr geschwächt und freut sich über jeden Besuch auch wenn er nicht mehr jede/n erkennt, der kommt. Da der Corona-Test im nahegelegenen Testzentrum inzwischen 10 Euronen kostet wenn man keinen Nachweis hat, daß man jemand im Krankenhaus oder im Seniorenheim besucht, hat der Freiburg-Besuch für einige Mitbewohner Bestätigungen von der Verwaltung des Heimes mitgebracht und auf mir abgelegt.
 
Der Nachmittag verlief unspektakulär. Ein Einkauf bei Aldi war fällig – zu teilweise spektakulären Preisen. Der Frischkäse, der jahrelang 89 Cent kostet, wird inzwischen – wie ich höre – für 1,59 Euro unters Volk gebracht. Ein Bewohner kam vom Betriebsausflug ins Potsdamer Biosphären-Reservat oder so ähnlich zurück und hat ganz begeistert davon erzählt, obwohl er am Abend zuvor überhaupt keine Lust dazu hatte. 
 
Der Besuch aus Werl, Bruder Winfried von der Emmaus-Gemeinschaft, war auch unterwegs. Er spielt mehrere Instrumente und hat eine englische Concertina dabei – eine Art Mini-Akkordeon. Am Anhalter Bahnhof hat er im Zwischengeschoß Straßenmusik gemacht. Uns hat er abends einige Volkstänze und Volkslieder aus verschiedenen Ländern vorgespielt (z.B. Irland und Moldawien). Einige Bewohner hatten noch Lust zu singen und wurden von Bruder Winfried begleitet.
 
Danach wurde noch im Internet gesurft und Näharbeiten gemacht, die Küche aufgeräumt und der Kachelofen für die Nacht mit einem Brikett, das mit nassem Zeitungspapier umwickelt ist, gefüttert, damit er nicht auskühlt bis zum Morgen..
 
Als der Computer für den ersten Teil dieses Eintrags hochgefahren wird, gratuliert wordpress zum Bloggeburtstag, zwar einen Tag zu früh, aber 2016 ging es hier los. 
Inzwischen gibt es 658 Blogposts – mit diesem dann 659. Letztes Jahr waren etwas über 6900 BesucherINNEN hier, die etwas mehr als 17 000 Seiten aufgerufen haben. Ganz schön viel für so ein WG-Nischenblog. 
 
Zum Weiterlesen:
Was andere BloggerINNEN heute am 5. Januar 2023 gemacht haben, wird  hier   (nach unten zur Liste durchscrollen) erzählt.
Die „Heiligen Drei Könige“: Was Bibel und christliche Traditionen dazu meinen steht hier
 
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2023: Neujahrsgruß mit Bild von Christian

Zwischen den Jahren hatten wir einen ganz besonderen Besuch. Elisabeth, die seit fast sieben Jahren in Kevelaer lebt, kam nach Berlin. In ihrer Berliner Zeit war sie sehr oft in der Wohngemeinschaft. Sie hat uns mit diesem Bild überrascht, von dessen Existenz wir nichts wußten.

Weihnachtsüberraschung: Bild von Christian

Elisabeth war im Spätherbst letzten Jahres in Kladow. Christian wußte schon, daß er bald sterben würde. Er hat das Bild kurz vorher im Krankenhaus gemalt, es Elisabeth gegeben und sie gebeten, zu uns in die Naunynstraße zu gehen.

Wir haben uns sehr darüber gefreut. Noch ein Bewohner lebt hier – der Chefkoch -, der Elisabeth noch von früher kannte. Für uns andere war es eine neue Begegnung. Es waren erfüllte Tage, an denen wir reich beschenkt wurden. Wie schön, daß wir an frühere Zeiten anknüpfen konnten.

Wir wünschen Euch allen Gutes, Zuversicht und Gesundheit. Möge das Neue Jahr der Welt Frieden schenken. Seid gesegnet.

Nachtrag:

Christian hat kurz vor seinem Tod das folgende Gebet geschrieben, an das ich denken mußte als ich das Bild sah:

DANKE
Du Tod, Sprung ins Leben
Du kündigst dich an
Du bist die abschließende Freude
Ich danke Dir für Dein Kommen
Amen Christian

Pour les pretres ouvriers francais qui nous suivent ici:

Une priere que Christian a ecrit quelques semaines avant sa mort:

MERCI
Toi la mort, saut vers la vie
Tu t’annonces
Tu es la joie finale
Je te remercie pour ta venue
Amen. Christian

Zum Weiterlesen:
Erinnerungen an Christian Herwartz
Elisabeth schreibt über ihren Besuch bei uns im Gästebuch  (bitte nach unten durchscrollen)

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Jerusalem in Kreuzberg

Vorletztes Weihnachten kam als große Überraschung neben einem opulenten  Süßigkeitenpaket, das er schon viele Jahre an uns schickt, sein Seidenmalbild Jerusalem bei uns an. Es ist das Erste, das Gäste sehen, wenn sie unsere Wohnung betreten. Es hängt gleich gegenüber von unserer Wohnungseingangstür:

– Jerusalem – von Michael KagelD

Diese Woche haben wir Michael, der um 2002 für ein halbes Jahr hier gelebt hat, endlich persönlich kennengelernt. Wegen Corona mußte der Besuch zwei Mal verschoben werden. Wir freuen uns sehr über die gemeinsame Zeit mit ihm und sind lecker beim Kommunitätsabend bekocht worden (Nudeln mit Tomaten-Thunfisch-Sauce). Der Chefkoch will das Rezept übernehmen, was einem Ritterschlag gleichkommt. 

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#WMDEDGT April 2022: Immer wieder dienstags …

Am 5. des Monats ruft die Nachbarbloggerin immer zum Tagebuchbloggen auf unter dem Motto „WMDEDGT?“ (kurz und knackig für „Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?“). Manchmal melde ich mich auch hier im Blog zu Wort und dieses Mal habe ich wieder einiges zu erzählen. 

Ich bin der Tisch von der Wohngemeinschaft Naunynstraße mitten in Kreuzberg  im ehemaligen SO 36. Ich stehe hier mitten im Wohnzimmer seit 38 Jahren und habe schon viele kommen und gehen sehen. Zur Zeit steht neben mir ein kleiner Kollege, auf dem ein Bild von Christian mit Blumen und Kerzen steht. Christian hat die WG mit Michael und Peter 1979 in der Sorauer Straße – auch in Kreuzberg – begonnen. Da war ich auch schon dabei und bin 1984 dann mit umgezogen. Christian ist Ende Februar gestorben. Und sein Tod beschäftigt alle hier sehr.

Christian Herwartz im Herbst 2021

Hier sieht man Christian in Kladow, im Garten des Seniorenheims der Jesuiten. Dorthin mußten wegen Corona die Jesuiten der Altersgruppe 70plus. Es ist das letzte Foto, das wir von ihm haben. 

Zur Zeit wohnen nur zehn Leute um mich herum. Seit letzter Woche findet das Frühstück wieder um 8.00 h statt, zu dem alle kommen, die nicht unterwegs in der Arbeit oder bei anderen Terminen (Ämter, Jobcenter …) sind. Jobcenter findet ja im Moment auch online statt. 

Beim Frühstück waren zwei Menschen aus der Nachbarschaft dabei, die öfter dazu kommen. Es gibt immer interessante Gesprächsthemen. Die beiden Gäste sind politisch sehr interessiert und einer seit Jahrzehnten in der Kommunalpolitik in Kreuzberg aktiv. Da gibt es dann immer interessante Neuigkeiten. Morgen, am Mittwoch, wir der Maria-von-Maltzan-Platz in unserer Nachbarschaft eingeweiht. Maria von Maltzan  war während der Zeit des Nationalsozialsozialismus in einerA Widerstandsgruppe aktiv und hat Juden in ihrer Wilmersdorfer Wohnung versteckt und versteckten Juden geholfen. Später war sie als Zirkustierärztin unterwegs. Am Ende der Naunynstraße ist ein Rondell, das nach ihr benannt wird. Dort hatte sie ab 1984 eine Tierarztpraxis, in der sie die Tiere von Punkern und armen Leuten umsonst behandelt hat. 

 Außerdem wurde noch von Mabels Besuch am Montag erzählt. Sie hat mit ihrer Mitschwester Margit hier ein neun Monate gelebt. Es war eine Art Schwangerschaft. Danach haben sie die Berliner Beratungsstelle von Solwodi gegründet.  Dort bekommen Frauen, die von Menschenhandel und Zwangsprostitution betroffen sind, Hilfe. Bei uns haben auch schon welche gewohnt, wenn in der Zufluchtswohnung von Solwodi kein Platz mehr war. Unser Ex-Mitbewohner Rockn Rolf hat auf mir die Karrikaturen zur Illustration der Solwodi-Website gezeichnet, die hier zu sehen sind. Mabel hat hier von ihren Erinnerungen an die Zeit in der WG erzählt. Für die Gedenkwand hat sie uns ein Foto von Margit mitgebracht, die vor zwei Jahren verstorben ist. 

Ein Besuch hat von der Angst erzählt, durch die steigenden Lebensmittel- und Energiepreise nicht mehr mit dem Geld von der Grundsicherung auszukommen. 

Um die Mittagszeit war es dann recht ruhig hier – abgesehen von einigen Frühjahrsputzaktivitäten – bis dann am Nachmittag der Chefkoch von der Arbeit nach Hause kam. Ein Mitbewohner hatte schon einige Packungen Champignons, die wir von der Tafel bekommen haben, vorbereitet. Sie wurden zu einer Pizza für unseren Gemeinschaftsabend vorbereitet, der jeden Dienstag stattfindet.

Um 18.00 Uhr treffen wir uns immer zum Abendessen. Zwei waren nicht da, weil sie gerade an Straßenexerzitien teilnehmen. Nach dem Essen sitzen wir immer zusammen und erzählen, was uns bewegt: Was uns freut, was uns beschäftigt, was schwer ist.

Einer hat eine Ausbildung zum Lokführer begonnen und muß sich in eine neue Tagesstruktur hineinfinden. Ein anderer hofft, daß er endlich in den Sprachkurs einsteigen kann, für den er im März 2020 eine Zusage hatte, der aber wegen dem Lockdown ausgefallen ist. Ein anderer beschäftigt sich mit einer längeren Perspektive für seine Zukunftsplanung …

Danach machen wir eine Viertelstunde Pause und dann treffen sich die BewohnerINNEN, die miteinander singen, meditieren, beten, Texte aus heiligen Schriften hören und sich darüber austauschen wollen – eine Form von Gottesdienst, zu dem jeder etwas beitragen und mitbringen kann. Danach wird es ruhig hier im Wohnzimmer. 

Mehr zu Maria-von-Malteizan
Mehr Beiträge zu #WMDEDGT April 2022 sind hier am Ende des Postings

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Absolut ruhig …

… is des bei Euch. So gut wie bei Euch hab ich schon lang nimmer geschlafen. Ich hab mich richtig gut bei Euch erholt“ – so Orginalton von unserem Freund Rudi, den es vor zwei Jahren in die Brandenburgische Provinz verschlagen hat. Vorher hat er in Berlin gelebt und uns mehrmals wöchentlich besucht – meist mit Dackel Benny (Bild links) – manchmal auch mit Rottweiler Blacky. Nun ist er seit gut zehn Tagen bei uns, schläft direkt über dem „Trinkteufel“, der Punk-Kneipe, in der es täglich rund geht bis in die frühen Morgenstunden und am Wochenende gerne länger..

 

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Besuch von Markus Franz (SJ)

Einmal im Jahr bekommt unser ältester Mitbewohner Bruder Christian Schmidt (SJ) Besuch aus München. Markus Franz (SJ) ist verantwortlich für Jesuiten der Altersgruppe 70plus. Neben diesem Engagement gibt er noch etwa sechs Exerzitienkurse im Jahr, vorwiegend bei Ordensgemeinschaften.

Neben Gesprächen mit Christian selbst und den Mitbewohnern hatten wir noch ein schönes Abendessen, ein Abschiedsessen, weil ein Mitbewohner morgen in sein Heimatland zurückkehren wird.

 

 

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Auf der Treppe …

A. erzählt: Letzte Woche wollte ich euch am Donnerstag Nachmittag besuchen. Leider war niemand zuhause. Da kam ein Mann. Der wollte auch zu euch. Er war groß und dick, hat viel und schnell gesprochen. Ich kannte ihn nicht. Er hatte eine große Tüte voller Pfannkuchen (Eierkuchen) dabei. Wir haben uns auf die Treppe gesetzt und miteinander Pfannkuchen gegessen. 

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Sonntagsüberraschung

Mehr als drei Jahre ist es her, daß sie das letzte Mal in der Naunynstraße war. Seit einiger Zeit lebt sie in Berlin, und heute hatten wir die Freude, daß Katharina spontan ganz plötzlich vor der Tür stand. Glücklicherweise waren einige zuhause, was am Sonntagnachmittag nicht so selbstverständlich ist. Bei Kräutertee und Obst hörten wir von der Afrikareise, von der Familie und von der ersten Zeit in Berlin. Und schon am nächsten Samstag sehen wir uns wieder beim Frauentagsessen.

 

Bibliolog: Meiner Sehnsucht Raum geben

Anbetung der Könige (St. Lazare / Autun)

Bis jetzt gibt es gelegentlich, aber für das neue Jahr ist es monatlich geplant – einen Bibliolog nach dem Samstagsfrühstück. Die einen kommen schon zum Frühstück, und andere kommen dann um 13.30 zum Bibliolog. Am 6. Januar (Dreikönigstag – Epiphanias) fanden sich nach einem sehr bewegenden Samstagsfrühstück mit Besuch der Sternsinger noch elf Interessierte zusammen, um das Evangelium des Tages, nämlich den Besuch der Sterndeuter, miteinander zu entdecken und (neu) auszulegen.

Die Skulptur aus Autun (siehe Bild) führte uns in den Raum des Textes: Was bewegte die Sterndeuter auf ihrem Weg? Wie reagierte König Herodes als er von der Suche der Sterndeuter nach dem neugeborenen König hörte? Was genau erschreckt die Bewohner von Jerusalem? Was reden die Diener im Palast des Königs Herodes untereinander als sie erfahren, daß er die Sterndeuter den neugeborenen König suchen läßt um ihn anzubeten? Wie reagieren die Weisen als sie den Stern über Bethlehem sehen und er dort stehen bleibt? Wie reagiert Maria beim Besuch der Sterndeuter auf die Gaben, die mitgebracht werden (Gold, Weihrauch und Myrrhe)? Die Sterndeuter gehen auf einem anderen Weg / anders zurück- wie und mit welchen Gedanken und Gefühlen sind sie jetzt unterwegs?

Wer nicht dabei sein konnte, kann sich unsere Bibliolog-Meditation von vor zwei Jahren anschauen und dort auch unsere Krippe sehen:

Samstagsfrühstück … mit dem Provinzial

Samstagsfrühstück: der Tisch ist gedeckt

Der 6. Januar war für uns in diesem Jahr ein ganz besonderer Tag. Da das Samstagsfrühstück mit dem Dreikönigsfest zusammenfiel, hatten wir auf einen Besuch der Sternsinger gehofft. Aber die wollten sich erst ab 14.00 Uhr auf den Weg machen.

Wir konnten uns wieder über einen reich gedeckten Tisch und viele Besucher freuen – auch von weiter her: Siglinde aus Nürnberg war gerade in der Stadt und später kam auch Jens aus Leipzig dazu. Ein besonderer Höhepunkt und eine besondere Freude für uns war, daß der seit 1. Juni amtierende neue Provinzial Johannes Siebner (SJ )zu uns kam. Er ist Berliner, kennt die WG Naunynstraße und war zuletzt vor über 20 Jahren da. Er wurde befragt, wie viele Jesuiten es in Deutschland gibt (etwas über 300), worum es bei den Jesuiten geht (Bildung, Spiritualität und Gerechtigkeit). Er erzählte uns von seiner Romreise, wo er sich vor kurzem zwei Wochen lang mit anderen im letzten Jahr neu ernannten Provinziälen aus der ganzen Welt getroffen und ausgetauscht hat. ‚Einiges davon kann man auch in seinem Artikel „Wie geht Provinzial?“ nachlesen samt Foto mit Papst Franziskus.

Schwester Rita brachte uns ein Sternsinger-Lied mit und eine Betrachtung von Karl Rahner SJ zum Feiertag, die überschrieben war mit „Reise des Herzens„. Dort heißt es:

„Sie sehen einen Stern seltsam am Himmel emporsteigen. Und wenn sie auch erschrecken vor der Kühnheit ihres Herzens, so gehorchen sie doch und brechen auf. Sie gehen verschlungene Wege, aber vor Gottes Augen ist es der gerade Weg zu ihm, weil sie ihn in Treue suchen …Und wie sie endlich ankommen und niederknien, tun sie nur, was sie eigentlich immer taten, was sie auf der Suche und Reise schon taten: sie bringen das Gold ihrer Liebe, den Weihrauch ihrer Ehrfurcht, die Myrrhe ihrer Schmerzen vor das Antlitz des unsichtbar-sichtbaren Gottes. Still, wie sie gekommen sind, schwinden sie wieder aus dem Gesichtskreis der heiligen Geschichte … Lasst auch uns auf die abenteuerliche Reise des Herzens zu Gott gehen! Lasst uns aufbrechen und vergessen, was hinter uns liegt … Der Weg geht durch Wüsten und Finsternisse. Aber verzage nicht: der Stern ist da und leuchtet … Brich auf, mein Herz, und wandre! Es leuchtet der Stern. Viel kannst Du nicht mitnehmen auf den Weg. Und viel geht dir unterwegs verloren: Lass es fahren. Gold der Liebe, Weihrauch der Sehnsucht, Myrrhe der Schmerzen hast du ja bei dir. Er wird sie annehmen. Denn du wirst ihn finden.“

Mich erinnerte das an das Unterwegssein bei den Exerzitien auf der Straße. Später am Vormittag würde Pater Siebner sagen: „Unser größtes Exerzitienwerk sind die Straßenexerzitien. Und die brauchen keine Häuser“.

Unser Freund Roj erzählte uns, daß dieser Samstag auch der Tag war, an dem Hindus an die Ermordung von Mahatma Gandhi vor siebzig Jahren erinnern. Er hat aus seiner Tradition das Lied mitgebracht und gesungen, das Mahatma Gandhi bei der öffentlichen Versammlung gesungen hat, in deren späteren Verlauf er von einem Fanatiker ermordet worden ist. Es waren für uns alle sehr bewegende Momente.

Auch in der jüdischen Tradition war dieser Samstag ein besonderer: Es war im G-ttesdienst der Synagoge der Schabbat, an dem ein neues Buch im Torahlesezyklus begonnen wurde mit dem Wochenabschnitt Schemot, also das Buch Exodus (2. Buch Mose) mit der Erzählung der Geburt des Moses. Das stellt insofern eine Parallele dar, weil in der Kindheitsgeschichte des Evangelisten Matthäus einige Motive aus der Geburtsgeschichte von Moses auftauchen.

Und dann kamen sie ganz überraschend doch noch: Die Sternsinger von Sankt Michael – eigentlich mehr Sternsingerinnen. Sie hatten Liederhefte dabei, die rasch verteilt waren. So sangen wir miteinander einige Sternsinger-Lieder. Weihrauch zog durch die Wohnung und der Segen für uns und für alle die bei uns ein und aus gehen wurde an die Türpfosten geschrieben.

Sternsinger 2018

Daneben und dazwischen gab es viel Zeit für Gespräche und Kennenlernen. Es war ein reicher Vormittag, der nach dem Frühstück noch nicht zu Ende war, sondern etwas später für die, die wollten und auch andere, die neu dazu kamen mit einem Bibliolog zum Tagesevangelium, dem Besuch der Sterndeuter, weiterging.