Seit wir einen griechisch-orthodoxen Mitbewohner haben, feiern wir Weihnachten, Ostern und den Nikolaustag (6. und 19. Dezember) zwei Mal. Die meisten orthodoxen Christen feiern Weihnachten nach dem julianischen Kalender, also am 6. Januar. Und so haben hatten wir am Samstag beim offenen Samstagsfrühstück Besuch von den Sternsingern und abends nochmal Weihnachten mit einem besonderen Essen gewürdigt. Der Chefkoch hat eine neue Variante Khachapuri erfunden und zwar mit Oliven und türkischem Feta (auf dem Foto in Schmetterlingsform).

vorne: Salatplatte und dahinter Khachapuri mit Oliven
Am Nachmittag hat unser Mitbewohner von einer besonderen Begegnung erzählt. Am Vormittag ist er mit einer Kerze zur (evangelischen) Thomaskirche in unserer Nachbarschaft gegangen. Er ging davon aus, daß – wie in seiner Heimat – Kirchen den ganzen Tag geöffnet sind.
Kurz bevor er dort ankommt, sieht er vor den Treppen, die zum Kircheneingang führen, einen jüngeren Mann und eine jüngere Frau stehen – beide etwa 30 Jahre alt. Er hört die beiden russisch sprechen und nimmt mit ihnen Kontakt auf. Die beiden sind Russen. Das Land des Mitbewohners ist vor 15 Jahren von Russland angegriffen worden. Er hat in diesem Krieg eine lebensgefährliche Schußverletzung erlitten, an deren Folgen er bis heute leidet.
Der jüngere Mann heißt Igor und seine Schwester Lena. Sie sind noch nicht lange in Berlin. Weil sie nicht wissen, wo in Berlin eine russisch-orthodoxe Kirche ist, sind auch sie gekommen um eine Kerze anzuzünden.
Der Mitbewohner kann ihnen sagen, wo eine russisch-orthodoxe Kirche ist. Igor erzählt, daß er seinen Einberufungsbescheid bekommen hat. Er will nicht in den Krieg. Er will nicht auf Menschen schießen. Deshalb ist er mit seiner Schwester nach Moldawien geflüchtet und von dort aus nach Berlin.
Der Mitbewohner erzählt seine Geschichte. Igor sagt: „Tut mir sehr leid, was dir passiert ist.“ Alle drei stellen ihre Kerzen auf der Treppe ab, zünden sie an, wünschen sich Frieden, und reichen sich die Hand..
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