von Christian Herwartz
Die Mission der Kreuzberger Jesuiten-Gemeinschaft und ihre Zukunft
In Berlin-Kreuzberg gibt es seit 40 Jahren eine kleine jesuitische Gemeinschaft, die der Orden offenbar nun nicht mehr fortführen will. Bekannt wurde die Kommunität vor allem durch die „Exerzitien auf der Straße“ und dadurch, dass Sie Menschen, die gestrandet waren, Obdach gegeben hat. Die Prioritäten im Jesuitenorden scheinen sich nun verschoben zu haben. Aufgabe der Kommunität war es, nach einem angemessenen jesuitischen Einsatz für Glaube und Gerechtigkeit im deutschsprachigen Raum suchen. Eine nachhaltige Unterstützung des Ordens blieb aber seit längerer Zeit aus. Ist aber die Mission erfüllt?
Noch im geteilten Berlin nahmen drei Jesuiten 1978 Arbeitsstellen als Lagerarbeiter, Dreher oder Küchenhilfe auf. Mitten in dem vom Abriss bedrohten Kreuzberg zwischen Menschen, die vor allem aus der Türkei aber auch aus vielen andern Ländern kamen, gründeten wir eine Kommunität, die im Laufe ihrer Geschichte viele Menschen angezogen hat. Regelmäßig tauschten sie sich über ihren Alltag, die Arbeit und die Kontakte im Stadtteil aus und feierten anschließend miteinander „Gottesdienst am Küchentisch“. Später kamen Menschen aus dem Gefängnis oder auf der Flucht aus dem Ausland in die Kommunität. Sie brachten ihre Verzweiflung, ihre Krankheiten und Süchte mit. Die Gemeinschaft teilte mit ihnen die Sehnsucht nach einem Leben für Glaube und Gerechtigkeit. Wir drei Jesuiten waren dort angekommen, wohin der Orden uns geschickt hatte. Wir gingen in der Tradition der Arbeiterpriester den Weg vom betreuenden „Für“ zum solidarischen „Mit“.
Die Vorbilder für diese Lebensweise kamen aus Frankreich. Im 2. Weltkrieg gingen französische Priester mit ihren Landsleuten als Fremdarbeiter nach Deutschland. Wurden sie entdeckt, dann landeten sie im Konzentrationslager. Auch nach dem Krieg gingen einige diesen Weg weiter, blieben an ihren Arbeitsstellen und bei ihren Kollegen und suchten so den Weg der Nachfolge der Menschwerdung zu gehen. Das führte zu einem Konflikt. Katholische Unternehmer erreichten ein päpstliches Verbot der Arbeiterpriester, das erst vom Konzil wieder aufhoben wurde. Die Arbeiterpriester wollten der Bibel folgen: „Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich.“ (Philipperbrief 2,5ff)
Vorbild Arbeiterpriester
Auch in Deutschland spürten wir bei unserem Start in Berlin eine Konfliktlinie: Wie sollte der Orden dieses Engagement, das sich in die Arbeiterbewegung einfügen und keine eigene Institution gründen wollte, nachhaltig begleiten? Wie konnte das Berliner Engagement seinen Platz neben theologischen Fakultäten, Schulen, pastoralen oder karitativen Einrichtungen finden? Konkret startete unser Engagement 1971 zunächst in München mit der Frage meines Mitbruders Michael Walzer (gestorben 1986): „Kommst Du mit, eine Fabrikarbeit zu suchen?“ Schon als Schüler setzte er sich für die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland ein und wollte nun eine Brücke zwischen den intellektuell und manuell Tätigen schlagen. Ich sagte sofort zu. Anfangs folgten wir unserem Anliegen bei Ferieneinsätzen. Neben dem Theologiestudium fand ich in Frankfurt jeweils donnerstags Arbeit in der Umzugsbranche als Träger und Fahrer. Am Ende des Studiums kam uns die gesetzgebende weltweite Generalkongregation (1974/5) im Orden zu Hilfe. Die Jesuiten sollten nun besonders an ihrem Einsatz für Glaube und Gerechtigkeit erkennbar sein.
Ratlosigkeit herrschte unter den deutschsprachigen Jesuiten, da sie nicht auf widerständige Erfahrungen zurückgreifen konnten, wie sie die Theologie der Befreiung in Lateinamerika benannte. Daraufhin beschloss die Provinzialkonferenz, der damals noch vier deutschsprachigen Ordensprovinzen, zwei neue Kommunitäten zu gründen. Eine sollte sich in Frankfurt am Main neu mit der eigenen Spiritualität auseinandersetzen und die andere nach dem Einsatz für Gerechtigkeit in unseren Ländern suchen. Nach einer mehrjährigen Vorbereitung unter französischen Arbeiterpriestern begannen wir in Berlin und übernahmen nach der Auflösung der Frankfurter Kommunität unbemerkt auch ihr Suchen. Wir erlebten mit großer innerer Freude die Einheit des Engagements für Glaube und Gerechtigkeit. Nach dem Tod von Franz Keller (gestorben 2014), einem Schweizer Jesuiten, der über 30 Jahren mit uns lebte, steht 2016 ein Generationswechsel an.
Exerzitien auf der Straße
Ein jüngerer Mitbruder fragte mich 1996 am Ende seines Studiums, ob er die jährlichen Exerzitien (Geistlichen Übungen) bei uns machen könnte. Ihn bewegte die Frage: „Soll ich nach meinem Theologiestudium für ein Jahr in einem Hospiz für Aidskranke mitarbeiten?“ Spontan hielt ich ihn davon ab, weil bei uns bis zu zwanzig Personen auf engstem Raum wohnen; eine stille Ecke wie in einem Kloster fehlt. Außerdem hatte ich noch nie Exerzitien begleitet. Doch er blieb bei seiner Anfrage. Schließlich sagte ich: „Unsere Gastfreundschaft gilt auch dir. In meinem Schlafzimmer stehen sieben Betten, um auf Notfälle reagieren zu können. Eins ist für dich frei.“ Er kam. Am Abend, nach meiner Fabrikarbeit, erzählte er mir von seinen Erfahrungen des Tages. Über seine Zerrissenheit meditierte er dort, wo die Berliner Mauer gestanden hatte. Er ging auf der Straße mit einem Fuß rechts und mit dem anderen links von der Markierung. An einem anderen Tag stand er vor Trümmergrundstücken und meditierte die Wunden der Stadt und seinen eigenen. Später freundete er sich mit eine obdachlosen Mann an, der ihn einlud, ihm „seine“ Stadt zu zeigen. Beim Erzählen wurde ihm klar, dass er damit auch in ein Hospiz eingeladen worden war.
Aus dieser Erfahrung erwuchsen die Exerzitien auf der Straße. Wenn nun Menschen um einen Exerzitienkurs in Berlin-Kreuzberg baten, suchte ich nach Begleiterinnen und Begleitern. Ich fand sie in der Gruppe „Ordensleute gegen Ausgrenzung“, mit der ich regelmäßig vor dem Abschiebegefängnis stehe. Dort auf der Straße finden wir in unseren Gebeten angesichts des staatlichen Unrechts zu besonderer Klarheit. Wir feierten Gottesdienste, manchmal – nur durch die Mauer getrennt – zeitgleich mit den Gefangenen. Wenn Papst Franziskus uns ermahnt, auf die Straße zu gehen und mit staubigen Füßen heim zu kommen, dann meint er wohl auch solche Situationen. Für unsere Gruppe kamen die vielen Flüchtlinge im letzten Jahr nicht überraschend, denn wir standen, als wir vor den Gefängnismauern ausharrten, ja praktisch am Mittelmeer, auf dem so viele Menschen bei der Überfahrt sterben.
Bei den anschließenden Besuchen in der Haft begegneten wir den zur Abschiebung ausgesonderten Menschen. Sah ein Rechtsanwalt ihre Akten durch und formulierte einen Widerspruch, dann mussten über die Hälfte der Gefangenen wegen Rechtsverstoß sofort entlassen werden. Sie öffneten uns die Augen für rechtswidriges behördliches Verhalten. Die Richter folgten meist unhinterfragt den Wünschen der Ausländerbehörde.
Im Sommer 2000 boten wir „Exerzitien an sozialen Brennpunkten“ an. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren in der Notschlafstelle der St. Michaelisgemeinde untergebracht. Sie bekamen die vier Ratschläge Jesu mit (Lk 10,3/4), aufmerksam zu sein. Jesus schickte die 72 Jünger wie Schafe unter die Wölfe. Deshalb sollen sie kein Futter für die Wölfe mitnehmen, also die Geldbörse zurücklassen, ebenso kein Überlebenspaket kaufen – kein Rucksack kommt mit. Beim Eintritt in die Häuser werdet ihr eure Schuhe ausziehen. Verschiebt diesen Respekt vor den Bewohnern nicht: Zieht sie sofort aus! Und überwindet auch das „man muss doch“, die ablenkenden, blockierenden Höflichkeitsregeln: „Grüßt nicht unterwegs.“
Den Auferstandenen erkennen
Am Abend erzählten die Teilnehmenden von ihren Erlebnissen und suchten darin nach den Spuren Gottes. In diesen Austauschrunden werden die eigenen Erlebnisse von den vorurteilsbehafteten Sichtweisen befreit, die jeder mitbringt. Überwältigt von dem, was sie gesehen hatten, bedrängten mich die Begleiterinnen und Begleiter, im nächsten Jahr zu einem neuen Kurs einzuladen. Ich verlor gerade meine Arbeit in der Fabrik und fand mich auf der Straße wieder. Seitdem mischen sich in den Exerzitien auf der Straße Menschen in vielen Städten Deutschlands und auch in Belgien, Frankreich, der Schweiz, aus Österreich, Ungarn und Kanada und einzelne aus Italien, Finnland, Norwegen, Brasilien unter das Volk und lassen sich von der in ihnen liegenden Sehnsucht führen. Menschen mit unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Prägungen entdecken ihre Sehnsucht und fragen nach dem, der uns damit so einmalig schuf, geben dieser Kraft ihren persönlichen Namen und lassen sich von ihr führen. Die uns treibende Kraft wartet auf uns, wo immer sie uns begegnen will. In den Exerzitien bekommen wir Hinweise und können ihre Spuren wahrnehmen.
Als Arbeiter brach ich täglich mit der Frage auf: Wie willst du, Jesus, der du als Auferstandener unter uns und in jeder und jedem von uns lebst, mir heute in meinen Kolleginnen und Kollegen begegnen? Ähnlich suche ich in den Exerzitien den Ort, wo der Auferstandene auf mich wartet. Jesus trainierte die ersten Jüngerinnen und Jünger, ihn in verschiedenen Situationen zu erkennen. Er erwartete die Frauen am Grab als Gärtner, die beiden Jüngern auf der Straße nach Emmaus als Fremder und die Jünger am See Genezareth am Kohlenfeuer.
Wohl nicht ganz zufällig begann die Entdeckung dieser Exerzitienform in unserer Kommunität. Wir benutzen keine Gegensprechanlage, sondern öffnen die Haustür grundsätzlich ohne zu fragen. Dadurch finden wir in unserem Wohnzimmer oft Menschen vor, die wir uns nicht ausgesucht haben. Wir erleben Straße mitten im privaten Bereich. Das ist ein Geschenk Gottes, der ja Weg oder Straße (Jo 14,6) ist, auf der wir ihm und der Welt begegnen können. Ignatius, der Gründer des Jesuitenordens, lebte selbst im 16. Jahrhundert nach seiner Bekehrung neun Monate in Manresa (Spanien) als Obdachloser. In dieser Zeit sammelte er seine Exerzitienerfahrungen. Wenn wir die Straße mitten in unserer Wohnung erleben, fragen wir die Eintretenden grundsätzlich nicht danach, woher sie kommen. Die Gäste kommen vielleicht gerade aus einem Gefängnis oder einer Psychiatrie oder aus einer anderen schwierigen Lebenssituation und können ohne das Vertrauen in die Gastgeber davon nicht erzählen. Ist die zwischenmenschliche Brücke geschlagen, bleiben viele über längere Zeit, so dass ich in den letzten 40 Jahren in meinem Schlafzimmer mit Menschen aus über 70 Ländern zusammen gelebt habe. Von vielen überraschenden Begebenheiten kann ich erzählen:
Ein Mann mit einem Mädchen an der Hand stand nach einer viermonatigen Wohnungslosigkeit vor unserer Tür und sagte: „Dieses Mädchen von dreieinhalb Jahren habe ich entführt. Ich möchte gern hier wohnen.“ Trotz meiner Sprachlosigkeit wusste ich: Hier im Treppenhaus kann ich ihm nicht weiter zuhören. Als Alternative blieb: Wegschicken oder die Tür öffnen. Gefühlt stand die Mutter des Kindes sofort neben mir. Welcher Freund uns solch eine Situation zumutete und unsere Adresse weitergab, fragte ich nicht. Zwei Monate wohnte Yvon mit ihrem Vater bei uns. Es war – juristisch gesehen – eine echte Entführung, denn die Mutter hatte das volle Sorgerecht. Jetzt lebte sie mit einem Mann zusammen, der mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt war. Als das Mädchen wieder bei der Mutter war, strengte der Vater einen Prozess an und die beiden älteren Jungen wurden in ein Heim gebracht. Yvon blieb. Ein Jahr später beerdigten wir sie in Berlin. Sie verlor zusammen mit den beiden alkoholabhängigen Erwachsenen bei einem Wohnungsbrand ihr Leben.
Offene Tür für jeden?
Jeder fünfte Europäer soll ein Trauma von einem sexuellen Übergriff in jungen Jahren in sich tragen. So ist es nicht verwunderlich, dass auch bei uns einige Menschen mit einer solchen Erfahrung leben. Oft sprach ich mit meinem Mitbruder Klaus Mertes über dieses gesellschaftliche Thema. Er hörte von Betroffenen ihre Leidensgeschichten unter Verschwiegenheit. Aber 2010 kamen ehemalige Schüler und erzählten von Vorfällen in ihrer Schulzeit. Nun sagte er ihnen: „Ich glaube euch und ich werde eure Mitschüler anschreiben: Wir wollen zu den Taten der Lehrer damals stehen.“ Erwartungsgemäß griff die Presse diesen Brief auf. Herausfordernde Monate begannen für den Orden, die Kirche, andere Schulen und auch für ihn. Oft war Klaus bei uns und suchte mit uns nach dem nächsten Schritt. Ich organisierte den ersten Bußgottesdienst zu diesem Thema. Das Unrecht sollte bekannt werden und nicht vergessen werden. Mit anderen Jesuiten brachte ich das Buch „Unheimliche Macht“ und das gleichnamige Blog heraus. Die noch lange nicht abgeschlossenen Aufklärungen öffneten uns auch für andere Schweigegebote die Augen.
Damit in der Kreuzberger Kommunität alle Anwesenden offen auch über ihre Schwächen sprechen können, muss der Ort geschützt werden. Deshalb haben Fernsehkameras kein Gastrecht und auch die Menschen nicht, die berufsmäßig nach den Fehlern von Mitbürgern suchen. So wichtig ihre Arbeit auch ist, die Wiedereingliederung von Menschen, die von Not und Schuld gezeichnet sind, ist auch ein wichtiger gesellschaftlicher Dienst. Zentral bleibt für uns, die Stärken, die guten Absichten und die Liebenswürdigkeiten eines jeden Menschen herauszustellen.
Christen können auch in Deutschland verfolgt sein. Wurde jemand bei uns getauft und das Familiengericht im Heimatland beschließt daraufhin, diesen Abfall vom vorigen Glauben zu ahnden, dann lebt der Christ trotz aller Gesetze und Gerichte bei uns in Lebensgefahr. Zumal wenn ein Familienmitglied unterwegs ist, um das Urteil zu vollstrecken, ist die Person gut beraten, ihr Heimatland nicht zu nennen. Sie würde der zum Mord bereiten Person eine Spur legen. Die Frage nach der Herkunft ist dann eine lebensgefährliche Falle.
Trotz oder gerade wegen meines starken Wunsches nach Frieden – dem inneren in mir, dem in meinen direkten Lebensbezügen, in der Gesellschaft, zu der ich gehöre, dem zwischenstaatlichen und dem zwischen den Religionen – wurde ich mehrmals verklagt und musste vor Gericht erscheinen. Meist endeten die Verfahren nach einer Zeit der Aufregung mit einem Freispruch. Ebenfalls spürte ich diese Freude auf dem langen Weg der gerichtlichen Auseinandersetzung, als ich einmal staatliches Verhalten anklagte. Wir wollten in Berlin mit unserer Gruppe „Ordensleute gegen Ausgrenzung“ diesmal vor der neuen Abschiebehaft auf dem Flughafengelände eine Mahnwache durchführen. Die Kundgebung wurde verboten. Diese Entscheidung bestätigten die Richter von drei unterschiedlichen Gerichten, bis dann der Bundesgerichtshof schon nach drei Jahren diese Fehlentscheidungen aufhob. Nun durften wir vor dieser auch juristisch völlig überflüssigen Haftanstalt stehen, die jetzt weitgehend als Flüchtlingsheim genutzt wird.
Neben dem notwendigen Blick auf die Gerechtigkeit gibt es auch den ebenso wichtigen barmherzigen Blick auf die Menschen, die nach einem Neuanfang suchen. Vielleicht ist das Jahr der Barmherzigkeit nicht nur für die Nachkommen Abrahams eine Chance, sondern auch für die Politik mit der ihr oft eigenen Rechthaberei. Zwischen Juden, Christen und Moslems, denen die Barmherzigkeit allen ein großes Anliegen ist, kann sie zu einer Brücke der gegenseitigen Achtung werden. Seit 2002 beten wir mit Gläubigen verschiedener Religionen in unserer Verantwortung für den Frieden in der Welt. Wir spüren die Einheit unter uns trotz unterschiedlicher Glaubenspraxis auch im Alltag der Kommunität, in der Menschen aus mindestens vier Religionsgemeinschaften miteinander leben.
Die letzten Generalkongregationen des weltweiten Jesuitenordens (1983, 1995) bestätigten nicht nur den Einsatz für Glaube und Gerechtigkeit deutlich, sondern erweiterten diese beiden Grundoptionen um das respektvolle Einlassen auf die unterschiedlichen Kulturen und den interreligiösen Dialog. Diesen Anliegen fühlt sich die kleine Berliner Kommunität mit ihren Möglichkeiten verpflichtet. Sie ließ sich auf die Kultur der Arbeiter ein und lebte nach und nach mit Menschen aus über siebzig Ländern auf engem Raum zusammen, mitten in einem multikulturellen Stadtteil mit vielen Sprachen, Lebensverhältnissen und Religionen. Regelmäßig gehörten Menschen aus fünf unterschiedlichen religiösen Traditionen zur Kommunität.
Dieses alltägliche Zusammenleben wird seit 2002 ergänzt vom öffentlichen interreligiösen Friedensgebet, das die Kreuzberger Jesuiten mit begründeten und durch die Jahre monatlich mitgetragen haben. Durch dieses Engagement gehören sie zu den Gruppen, die von der Stadt im Rahmen eines friedvollen Zusammenlebens der Religionen angefragt sind. Diese Begegnungen fördern das achtsame Hinhören auf die Bedürfnisse der verschiedenen Religionsgemeinschaften und was sie als einzelne und miteinander für das Gemeinwesen bewirken können.
Die Mission der Kommunität ist nicht zu Ende, sondern ist neu herausgefordert. Sie hat gerade in einer neuen Etappe wieder Fahrt aufgenommen. Menschen außerhalb des Jesuitenordens werden wohl nun die Tür der Kommunität offen halten müssen.
Christian Herwartz
Christian Herwartz, geboren 1943, trat 1969 in die Gesellschaft Jesu ein. Seit 1978 ist er in Berlin als Dreher in der Elektroindustrie tätig und versteht sich als Arbeiterpriester. 2016 will er die von ihm mitgegründete Kommunität in Berlin-Kreuzberg verlassen und einen Generationswechsel befördern. Im Januar 2013 erhielt Christian Herwartz den “Ökumenepreis des Ökumenischen Rates Berlin-Brandenburg” (ÖRBB). Damit wurde sein “Einsatz für die Armen und Marginalisierten” in der Hauptstadt geehrt. Veöffntlichungen: Christian Herwartz u.a.: Im Alltag der Straße Gottes Spuren suchen. Persönliche Begegnungen in Straßenexerzitien. Neukirchen-Vlyn 2016.
Erstveröffentlichung in: Herder Korrespondenz 3 / 2016
Erfahrungsberichte, Kursangebote, Literaturhinweise und vieles mehr finden sich unter:http://www.strassenexerzitien.de, nacktesohlen.wordpress.com,flughafenverfahren.wordpress.com und http://www.friedensgebet-berlin.de